Ob China schon die stärkste Wirtschaftsmacht der Welt ist oder die USA noch einen großen Vorsprung haben, ist auch eine Frage der Perspektive und der betrachteten Kennziffern. In der Startup-Szene spielt das Reich der Mitte global zumindest in der Wahrnehmung noch nicht die dominierende Rolle, doch auch hier tut sich einiges. Die Gründerfreunde werfen einen Blick über die Große Mauer.

Chinas prominentester Internetkonzern ist vermutlich die Alibaba Group, zu der unter anderem die B2B-Handelsplattform Alibaba.com und das virtuelle Auktionshaus Taobao gehören. 1999 gegründet, war der Börsengang des Unternehmens im September 2014 einer der größten der Geschichte und machte Gründer Jack Ma mit einem von Forbes auf 20,8 Milliarden Dollar geschätzten Vermögen zum reichsten Mann Chinas.

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Ebenfalls über die Landesgrenzen bekannt ist Xiaomi, erst 2010 gegründet und mittlerweile der drittgrößte Hersteller von Smartphones nach Samsung und Apple. Xiaomis Marktanteil lag im dritten Quartal 2014 weltweit bei 5,2 %, was auf den ersten Blick nicht sehr eindrucksvoll erscheint, doch wenn man berücksichtigt, dass das gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von gut 211 % bedeutet, wird deutlich, welches Potential in der Marke steckt, zumal die Eroberung der Märkte außerhalb Asiens noch bevorsteht. (Bild oben: das aktuelle Topmodell Mi4. Das Nachfolgemodell soll in den nächsten Tagen vorgestellt werden.)

Ein weiterer etablierter Web-Gigant ist  Baidu, der unter anderem eine Suchmaschine, ein Online-Lexikon ähnlich Wikipedia und ein Diskussionsforum betreibt. Baidu.com erreicht Platz 5 auf der Alexa-Liste der meistbesuchten Seiten der Welt. Der im Jahr 2000 gegründete Konzern schaffte es 2007 in den NASDAQ-100 und machte zuletzt 2014 international Schlagzeilen mit dem Einstieg beim umstrittenen Fahrdienstvermittler Uber (Wir berichteten).

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Im Westen am wenigsten bekannt ist Tencent (Bild: das Firmenmaskottchen), obwohl es sich hierbei um das Internetunternehmen mit dem weltweit viertgrößten Umsatz handelt, geschlagen nur noch von Amazon, Google und Ebay. Haupteinnahmequelle ist Tencent QQ, ein Instant Messaging Service mit mittlerweile weit über 800 Millionen Kunden. Außerdem im Angebot sind Multiplayer Games, eine Musikplattform, ein Online-Bezahlsystem und vieles mehr.

Es gibt in China also eine Reihe von Konzernen, die es an schierer Größe mit den US-Giganten durchaus aufnehmen können, was bei einem Markt mit über 1,3 Milliarden potentieller Kunden allerdings auch kein Wunder ist. Eine der unkämpftesten Geschäftssparten ist die der Taxi- und Fahrdienst-Apps, zumal in den chinesischen Megastädten, in denen Individualverkehr ein wesentliches Problem darstellt. Die Nummer eins ist hier Didi Dache mit über 40 Millionen registrierten Nutzern und der Finanzkraft von Tencent im Rücken. Wichtigster Konkurrent ist Kuaidi Dache, seinerseits unterstützt von Alibaba. Ein im Juli 2014 gestarteter Limousinenservice greift zudem das Geschäftsmodell von Uber auf. Das tut auch Yongche, und zwar mit so großem Erfolg, dass das Unternehmen den Gegenangriff ankündigt und seine Dienste demnächst in den USA anbieten will.

Ein weiterer Markt mit enormen Konkurrenzdruck ist der Bereich von Daily Deals und Group Buying, wie er im Westen hauptsächlich von Groupon bedient wird. Tausende solcher Unternehmen wurden in China bereits gegründet, die allermeisten mussten nach kürzester Zeit wieder die Segel streichen. Als größter unabhängiger Anbieter hat sich Meituan durchgestzt und erreicht bis zu 20 Millionen Dollar Tagesumsatz. Auch Bianping bedient diese Sparte, ergänzt durch einen Bewertungsservice, der an Yelp erinnert.

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Ähnlich wie Tinder im Westen hat Momo  (oben: Screenshot) in China das Image, hauptsächlich als Anschubhilfe für One-Night-Stands zu dienen, und das mit solch großem Erfolg, dass schon länger das Gerücht über einen Börsengang in den USA in der Luft liegt. In 2012 gestartet, hat das Unternehmen mittlerweile über 100 Millionen registrierte Kunden, von denen zeitweise mehr als 50 Millionen aktiv sind. Dabei möchte man weg von der Funktion als reine Dating-App und hin zu einem Service, der jegliche Art von sozialen Kontakten ermöglicht, umd den Kundenkreis noch mehr zu erweitern.

Von großer Bedeutung ist außerdem der Mikroblog Sina Weibo, eine Mischung aus Twitter und Facebook, der bereits 2012 eine Mitgliederzahl von über einer halben Milliarde melden konnte und im zensurgeplagten China ein gewisses Maß ein Meinungsfreiheit erlaubt.

Auch wenn diese Übersicht nur einen winzigen Ausschnitt eines riesigen Marktes zeigen kann, wird dennoch deutlich, dass es in China nicht an konkurrenzfähigen Unternehmen und Angeboten mangelt, und an interessierten und auch zunehmend zahlungskräftigen Kunden schon gar nicht. Was fehlt, sind originelle und eigenständige Ideen, fast alles lässt sich mit „das chinesische xyz“ umschreiben. Sollte es den Unternehmen und Entwichklern im Reich der Mitte demnächst gelingen, wirklich neue Produkte und Dienstleistungen zu präsentieren, dann werden Marken wie Alibaba oder Tencent auch echten Weltrum erlangen können.

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