Gestern feierte der Hamburg Innovation Summit seine Premiere – ein Event, das Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zusammenbrachte und ein vielfältiges Programm präsentierte. Die Gründerfreunde fassen einige der Höhepunkte zusammen.

Was bedeutet Innovation überhaupt? Gerade in der Startup-Szene gibt es kaum ein Geschäftsmodell, das von seinen Machern in der Selbstdarstellung nicht als „innovativ“ bezeichnet wird, obwohl das wirklich Neue oft mit der Lupe zu suchen ist. Beim Hamburg Innovation Summit, der erstmals in dieser Form am 4. Juni im Speicher am Kaufhauskanal im Hamburger Stadtteil Harburg stattfand, war das definitiv anders. Für die hier vorgestellten Projekte und Ideen ist in vielen Fällen sogar die ebenfalls inflationär gebrauchte Vokabel „disruptiv“angemessen.

Und dieses Wort fiel bereits im ersten Vortrag von Jan-Keno Jansen (Redakteur bei c’t) über Virtual Reality (VR). Er vertrat den Standpunkt, dass Datenbrillen wie die von Oculus, die vermutlich Ende 2015/Anfang 2016 marktreif sein wird, eine größere gesellschaftliche Veränderung bewirken werden als die inzwischen omnipräsenten Smartphones. Dabei beschränken sich die Anwendungen keineswegs auf den Bereich Spiele, im Gegenteil: Dort ist die Anwendung eher problematisch. So kommen das Gehirn und der Körper bei einem Ego-Shooter, bei dem der Spieler in der VR durch den Dschungel rennt, tatsächlich aber gemütlich auf dem Sofa sitzt, nicht mit. Die unvermeidliche Folge: Übelkeit. Die ist grundsätzlich ein Problem für Menschen mit empfindlichem Magen oder Gleichgewichtssinn, wie der Verfasser dieser Zeilen bei einem eigentlich faszinierenden virtuellen Flug über Island im Selbstversuch feststellen musste.

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Auch so kann man den Hamburg Innovation Summit zusammenfassen: Graphic Recording von Cornelia Koller

Ungeachtet dessen gibt es zahlreiche potenzielle Anwendung von VR, die tatsächlich den Alltag revolutionieren könnten. Liveübertragungen mit 360-Grad-Kameras zum Beispiel, die sowohl der Unterhaltung (Sportereignisse oder Konzerte) als auch der journalistischen Berichterstattung (live dabei bei Demonstrationen in Hongkong oder Kairo) eine neue Dimension geben. Oder kommerzielle Anwendungen etwa in Reisebüros, die mit Datenbrillen, die einen Trip zum Traumziel oder ein Rundgang durch das Wunschhotel ermöglichen, der Internetkonkurrenz endlich wieder einen entscheidenden Zusatznutzen entgegenhalten könnten. Und schließlich in der Ausbildung: Flugsimulatoren kommen da in den Sinn, aber auch andere Anwendungsbereiche, bei denen zu übende Tätigkeiten bisher mit großem Aufwand nachgestellt werden müssen.

Der nächste Vortrag beschäftigte sich mit einem Thema, das unsere Arbeits- und Konsumwelt mit Sicherheit noch viel dramatischer verändern wird als VR, nämlich der 3D-Druck. Peter Sander, Innovationsveteran bei Airbus, machte bei einem wahren Parforceritt von einer Präsentation deutlich: Wer sich mit der Produktion von Dingen egal welcher Natur beschäftigt, muss sich mit dieser Technologie auseinandersetzen oder kann in wenigen Jahren einpacken. Durch 3D-Druck entstandene Einzelteile werden beispielsweise beim Flugzeugbau längst eingesetzt und sind inzwischen fast immer preiswerter, leichter und schneller zu beschaffen als herkömmliche. Das lässt sich auf praktisch alle Wirtschaftsbereiche übertragen, so dass ganze Industrien vor Umwälzungen stehen, deren Konsequenzen noch gar nicht ins allgemeine Bewusstsein eingedrungen sind.

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Hier entsteht gerade ein Lampenschirm auf einen 3D-Drucker

Auch bei Privatanwendern könnten 3D-Drucker in gar nicht so ferner Zukunft zur Grundausstattung gehören. Auf der3t-Expo, einem Hauptanziehungspunkt des Hamburg Innovation Summit, konnte man unter anderem auf dem Stand der Hamburger Firma myprintoo beobachten, wie ein Lampenschirm aus Plastik entsteht. Das dauert momentan acht Stunden, und ein einigermaßen brauchbarer Drucker kostet um die 2.000 Euro, aber wer die Entwicklungen bei Computertechnik und Unterhaltungselektronik in den letzten Jahren und Jahrzehnten in Erinnerung hat, kann sich ausrechnen, dass beide Werte schnell verbraucherfreundlich sinken werden. Steht dann noch ein verständliches und flexibles Softwareangebot zur Verfügung, dann ist bald jeder sein eigener Produzent von Gebrauchsartikeln und einfachen Ersatzteilen.

Ein Vortrag über Smart Tech und Smart Home, faszinierende Produkte und Ideen auf der 3t-Expo, Roboter, die Fußball spielen, die Möglichkeit, in einem Tesla zu sitzen und ein Barkamp mit zahlreichen spontan entstandenen Diskussionsrunden – der Hamburg Innovation Summit bot mehr, als sich in einem Bericht angemessen zusammenfassen lässt. Ein Höhepunkt war sicherlich die Keynote von Professor Frank Piller aus Aachen, der höchst amüsant und informativ über die „Orchestrierung der Innovationswertschöpfungskette“ sprach. Er machte deutlich, dass Innovation häufig von Außenseitern vorangetrieben wird, mit der Überwindung von Widerständen verbunden ist und von Zufällen abhängt. Ein Beispiel ist die Erfindung der Barbie, die eher einer Kette von glücklichen Umständen zu verdanken ist als einer ausgeklügelten Marketingstrategie.

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Der Speicher am Kaufhauskanal, der stimmungsvolle Schauplatz des Hamburg Innovation Summit

Das Innovationspotenzial der Crowd zu nutzen ist das Konzept der Plattform Quirky. Dort kann jeder seine Ideen und Erfindungen vorstellen und sucht dann Partner, die ihm bei der Realisierung helfen. Das kann inzwischen auch General Electric sein, denn der Megakonzern hat das Potenzial der Schwarmintelligenz erkannt und arbeitet mit Quirky zusammen. Professor Piller machte darauf aufmerksam, dass die Innovationsmöglichkeiten heute so groß wie noch nie in der Geschichte des Menschen seien. Analog zum mooreschen Gesetz, nach dem sich, vereinfacht gesagt, die Computerleistungen alle zwei Jahre verdoppeln, ist auch der denkbare technische Fortschritt mittlerweile fast bis ins Unendliche gewachsen. Die Frage ist nur, wie Kreativität und Innovation sinnvoll und effektiv gemanagt werden können.

Und dann war es endlich soweit: Nach einem Grußwort von Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch wurden die Hamburg Innovation Awards vergeben. In der Kategorie IDEE setzte sich ein Projekt durch, das sich mit dem Einsatz von Virtual Reality für das Golftraining beschäftigt. Das Team steht noch ganz am Anfang der Entwicklung und wollte nur verraten, dass es an der Uni Hamburg im Fachbereich Informatik auf dem Feld der Human-Computer Interaction unterwegs ist. Weiter ist da schon die X-Spectrum GmbH, Preisträger in der Kategorie START. Deren Röntgenkamera wurde in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum DESY entwickelt. Alte Hasen schließlich sind die Gewinner des Preises für WACHSTUM: Aqua free produziert seit 1999 Wasserfilter und ist damit definitiv kein Startup mehr. (Bild ganz oben: alle Gewinner des Hamburg Innovation Awards)

So endete der erste Hamburg Innovation Summit, maßgeblich durchgeführt von der Technischen Universität Hamburg-Harburg und dem dort angeschlossenen Startup Dock (ein ausführlicher Bericht darüber hier), und alle Beteiligten sind sich einig: nächstes Jahr auf jeden Fall wieder!

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