War Steve Jobs ein Genie, das unsere Art zu leben wie kaum jemand sonst in den letzten 40 Jahren geprägt hat, ein tyrannischer Egomane, unfähig, mit menschlichen Gefühlen umzugehen, oder beides? Ein neuer Film, der morgen in den deutschen Kinos anläuft, versucht sich auf ganz eigene Art, der Computer-Ikone anzunähern.
Um es gleich vorweg zu nehmen: „Steve Jobs“ ist keine typische Filmbiografie, in der in epischer Breite sämtliche Stationen eines Lebens abgehandelt werden. So fehlen wesentliche Aspekte seines Privatlebens wie seine Ehe und sein Krebstod ebenso wie die revolutionären Apple-Produkte iPhone, iPad und iPod (auf dessen Erfindung in einer Szene zumindest angespielt wird). Auch Jobs‘ Rolle beim Animationsstudio Pixar („Toy Story“, „Finding Nemo“ und viele mehr) ist kein Thema.
Stattdessen ist der Film angelegt als ein Drama in drei Akten und könnte mühelos für die Theaterbühne adaptiert werden. Jeder Akt spielt unmittelbar vor der Präsentation eines neuen Computers und endet genau dann, wenn Steve Jobs vor sein vor Begeisterung rasendes Publikum tritt. Dabei entsteht das Psychogramm eines Mannes, der sich für einen genialen Künster hält und andere Menschen rücksichtslos benutzt, um seine Visionen durchzusetzen. Er vergleicht sich mit einem Dirigenten, der ein ganzes Orchester spielt, während alle anderen nur ein Instrument beherrschen. Auch seinen Partner Steve Wozniak, das eigentliche Technikgenie, behandelt er nicht anders und verweigert ihm regelmäßig die verdiente Anerkennung.
Michael Fassbender als Steve Jobs und Seth Rogen als Steve Wozniak
Im ersten Akt geht es um die Vorstellung des Apple Macintosh im Jahr 1984, im zweiten um den 1988 auf den Markt gebrachten NeXTcube und im dritten um Jobs‘ triumphale Rückkehr zu Apple mit dem iMac. Das Geschehen hinter den Kulissen ist immer das gleiche: Jobs verbeißt sich in jedes Detail, wie die richtige Beleuchtung (die Notausgangsschlider müssen aus!) oder das passende Haifoto für die Präsentation. Dabei schreckt er auch vor der Demütigung seiner engsten Mitarbeiter nicht zurück, etwa, als ein Programmteil, der den Mac „Hello“ sagen lässt, auszufallen droht und er dafür seinen Chefprogrammierer Andy Hertzfeld zur Schnecke macht. Auf Augenhöhe hält sich einzig seine Marketingchefin Joanna Hoffman, die immer an seiner Seite steht und kein Blatt vor den Mund nimmt.
Und dann ist da noch seine Tochter Lisa. Lange weigert er sich, die Vaterschaft überhaupt anzuerkennten, obwohl ein Test eine Wahrscheinlichkeit von über 90 % ergeben hat. Er kontert mit einem dubiosen Algorithmus, der ergibt, dass 28 % der amerikanischen Männer ebenso gut der Vater sein könnten. Trotzdem erreicht das Kind immer wieder sein Herz und macht ihm zugleich sein emotionales Versagen deutlich. Jobs selbst ist bei Adoptiveltern aufgewachsen und fühlt sich deshalb von seinen leiblichen Eltern und einem ersten anfangs zur Adoption bereiten Paar ungewollt und abgewiesen. In solchen Szenen begibt sich der Film zuweilen in die Untiefen der Küchenpsychologie, andererseits sind sie notwendig, um ihn nicht zu verkopft werden zu lassen.
Kate Winslet als Joanna Hoffman
Für Filmnerds mag es interessant sein, dass jeder der drei Akte in einem anderen Format gedreht wurde: 16mm, 35mm und digital – auch eine Methode, um technologischen Fortschritt sichtbar zu machen. Für normale Kinofreunde sind es vor allem die Schauspieler, die „Steve Jobs“ sehenswert machen. Michael Fassbender, bisher am meisten gelobt für seine Leistungen in „Shame“ und „12 Years a Slave“, erreicht in der Titelrolle einen weiteren Karrierhöhepunkt, seine Oscarnominierung gilt als sicher. Kate Winslet als Joanna Hoffman kann ihm dennoch die eine oder andere Szene stehlen. Seth Rogen als Wozniak nimmt eine glaubwürdige Auszeit von seinem üblichen Klamauk, und Jeff Daniels und Michael Stuhlbarg überzeugen in weiteren wichtigen Nebenrollen.
Für Regisseur Danny Boyle wird „Steve Jobs“ trotzdem nicht zu seinen größten Erfolgen gehören, seine modernen Klassiker „Trainspotting“ und „Slumdog Millionaire“ bleiben unerreicht. Das liegt vielleicht auch an dem Drehbuch von Aaron Sorkin, das zwar voller gewohnt brillianter Dialoge steckt, das Phänomen Steve Jobs aber letztlich nicht wirklich zu fassen kriegt. Dabei hat Sorkin mit Computergenies schon beste Erfahrungen gemacht; er schrieb auch das oscarprämierte Drehbuch zu „The Social Network“ über Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg. Dieser Film war zumindest in Amerika ein großer Kassenerfolg und spielte dort fast 100 Millionen Dollar ein, während „Steve Jobs“ derzeit bei weniger als 17 Millionen herumkrebst, kaum mehr als der von der Kritik geschmähte „Jobs“ mit Ashton Kutcher. Der ultimative Film über Steve Jobs fehlt also noch – unwahrscheinlich, dass er in absehbarer Zeit gedreht werden wird.