Unter anderem um Lebensmittel ging es am vierten Tag der Social Media Week in Hamburg. Mit sehr unterschiedlichen Ansätzen: Während Anbieter auf dem E-Food-Markt oft dafür sorgen, dass man zur Nahrungsbeschaffung das Haus gar nicht mehr verlassen muss, setzt die Streetfood-Bewegung auf das gemeinsame Essen als das Lagerfeuer unserer Zeit.
Deutschland ist ein Entwicklungsland. Das war, verkürzt formuliert, eine Erkenntnis aus den Vorträgen, die sich am Donnerstag mit dem Markt für Lebensmittel beschäftigen. Positiv formuliert: Da ist noch Luft nach oben, da sind noch gute Chancen für Startups, die mit einer cleveren Idee in ein Wachstumssegment einsteigen wollen. Sie müssen sich allerdings beeilen, denn „die Milliardenschlacht am Online-Buffet ist eröffnet“, wie Alexander Djordjevic von Foodist (hier unser großes Interview) seinen Beitrag betitelt hat. Deutschland ist zwar der größte Lebensmittelmarkt in Europa, im E-Food-Bereich aber nur auf der Höhe der Niederlande und Welten entfernt von Großbritannien, was absolute Zahlen betrifft.
Ein Problem in Deutschland ist die Logistik. So fehlen zum Beispiel geeignete Stationen für das Click-and-Collect-Modell. In England gibt es so etwas wie Schließfächer mit Kühlschranktemperaturen (Bild oben), wo man bestellte Ware abholen kann, oder Drive-Ins für den gleichen Zweck. Ein weiterer Knackpunkt ist das mangelnde Kundenvertrauen beim Vertrieb von frischer Ware. Gern wird unterstellt, bei Onlinebestellung werden bevorzugt die Äpfel mit den Druckstellen verschickt, weshalb die meisten Unternehmen inzwischen penibel darauf achten, nur die beste Qualität zu liefern. Eine Herausforderung ist auch die Finanzierung. Die Lieferung kostet Geld, und Promotionaktionen von Markenartiklern können angeblich nur am Point of Sale, also im Laden funktionieren – ein Irrtum, denn Probenbeilagen und Werbeflächen auf Webseiten sind eine geeignete Alternative.
Während bei den Online-Supermärkten etablierte Größen wie Edeka oder Rewe die Nase vorn haben werden, gibt es noch genug Nischen, in denen Neugründer einen Platz finden können. Da sind Kochboxen wie die von HelloFresh, Gourmet-Abos wie bei Foodist, Mietköche, wie sie über Qozy bestellt werden können, oder die App von Dyshn, über die Hobbyköche ihre Kreationen anbieten können. Eat First wiederum ist ein Lieferservice, der eine kleine, aber feine Auswahl frisch professionell gekochter Gerichte offeriert, bisher nur in Berlin. Dabei ist gerade der Markt für Leferservices alles andere als lokal und idyllisch, wie die üppigen Investitionen von Rocket Internet in Delivery Hero (und auch HelloFresh) beweisen (hier unser Bericht).
Gemeinsam haben all diese E-Food-Unternehmen, dass sie die Kunden nicht unbedingt dazu aninieren, das Haus zu verlassen. Ein weiteres Beispiel ist amazon dash; mit dem oben abgebildeten Gerät können die User Lebensmittel bestellen, indem sie die Codes zur Neige gehender Produkte einscannen oder die gewünschte Ware der Spracherkennung mitteilen. Dann lieber mit echten Menschen reden als mit einem Ding, so das Credo der Foodist-Bewegung, die sich in einer weiteren Diskussionsrunde vorstellte. Die Idee: Streetfood als moderner Markplatz, als Treffpunkt, um sich mit Menschen auszutauschen. Wieder ein Bereich, in dem Deutschland noch Nachholbedarf hat, aber langsam aufholt, wie entsprechende Events in Berlin oder Nürnberg zeigen.
Dort präsentieren sich vornehmlich Foodtrucks, die mit ihren kulinarischen Angebot von Ort zu Ort pendeln und mal bei Straßenfesten und mal vor Büros Halt machen. Dabei bringen sie nicht nur gutes Essen mit, sondern oft auch eine Botschaft. Wichtig sind Qualität, Nachhaltigkeit bei der Produktion der Produkte, Transparenz bezüglich ihrer Herkunft und ein Bewusstsein zu schaffen für das, was wir da essen. So gesehen hat die neue Food-Bewegung einen gesellschaftspolitischen Auftrag, aber wenig Unterstützung; der Nachwuchs an Köchen und Bäckern fehlt wegen der schwierigen Ausbildungsbedingungen, und Förderprogramme für Food-Startups dieser Art gibt es auch nicht. Zudem sind die bürokratischen Hürden und die damit verbundenen Kosten für Veranstalter von Streetfood-Festivals hoch.
Das mag ein (durchaus nachvollziehbarer) Grund gewesen sein, für das Event im Rahmen der Hamburger Social Media Week ein Eintrittsgeld von drei Euro zu verlangen. Allerdings kam die Info dazu relativ kurzfristig und sorgte nicht nur auf Facebook für Verärgerung; vor Ort waren ebenfalls Stimmen zu hören, die den Betrag als schlecht angelegtes Geld bezeichneten. Eine Umsonst-Kultur hat sich eben nicht nur im Internet etabliert, auch bei Straßenfesten und ähnlichen Ereignissen sind Teilnahmegebühren nicht gerade üblich. Zudem erwies sich das Angebot als durchaus ansprechend (z.B. von Vincent Vegan, siehe Bild ganz oben), aber bei gut einem Dutzend Anbietern, die zum Teil frühzeitig Ausverkauf melden mussten, auch als recht überschaubar. Und die Location in den Schanzenhöfen war ziemlich düster und eng. Es kann also durchaus besser werden, wenn der Streetfood Thurstday zur Dauerinstitution in der Hamburger Fischauktionshalle werden soll. Das Interesse ist auf jeden Fall vorhanden.