Schaut Euch doch mal in Eurem nächsten Team-Meeting genau um. Was seht Ihr? Junge Männer zwischen 20 und 35 Jahren. Die Kollegin aus dem Marketing. Hoodies. Bärte. Sneaker. Vor Euch die Tischtennisplatte (oder im Nebenraum). Und ein Büro weiter? Beim Startup nebenan: Wie sieht es da aus? Ach, das gleiche Bild? Falls nicht, seid Ihr vielleicht auf dem richtigen Weg. Und wenn doch, seid Ihr in guter Gesellschaft. Menschen umgeben sich nun mal gern mit Menschen, die ähnlich ticken – völlig natürlich. Gleich und gleich und so. Aber es ist nicht besonders förderlich. Stereotype – ob nun im Kapuzenpulli oder im Banker-Einheitslook – sind schlicht und einfach weniger erfolgreich. Fortschritt entsteht durch unterschiedliche Blickwinkel. Diversity-Management heißt das Zauberwort.
„Ein kleines Gedankenexperiment: Ein Mensch hat ein bestimmtes Problem zu lösen, und er kommt auf drei mögliche Lösungswege. Wie viele verschiedene Ansätze würden wohl zehn Menschen finden, die genauso denken wie dieser eine Mensch? Und wie viele Lösungsansätze würden demgegenüber zehn Menschen finden, die völlig unterschiedlich denken und unterschiedliche Perspektiven einbringen? Ich setze auf Vielfalt.“
Ana-Cristina Grohnert, Vorstandsvorsitzende Charta der Vielfalt e.V.
Wenn Startups sensibel auf Veränderungen in der Gesellschaft, in ihrem Umfeld und in den fortschreitenden Technologien reagieren wollen, sollten sie bei der Teambildung auf Vielfalt achten. Unterschiedliche Perspektiven in der Problemlösung, Forschung und Entwicklung bringen es einfach mehr: mehr Kreativität und mehr Innovationsfähigkeit. Voraussetzung dafür ist, dass das Team aus verschiedenen Talenten zusammengesetzt wird – also anders als in deutschen Startups. Die bestehen zum Großteil immer noch aus jungen Männern, die ebenso viele junge Männer beschäftigen. In Berlin wird alle zwanzig Stunden ein Startup gegründet. Aber: Nur 15,3 Prozent von Frauen. Diversity-Management spielt bei den meisten Gründern eine untergeordnete Rolle.
Obwohl: Laut einer aktuellen Lawless Research Studie bestätigen 81 Prozent aller Gründer in Deutschland, dass Diversity ein wichtiger Faktor für Innovationen und Kreativität ist. Aber leider nur in der Theorie. Denn praktisch haben gerade mal 12 Prozent ihr eigenes Team entsprechend zusammengestellt. Die Vorbilder der Tech-Szene sind übrigens nicht besser: 84 Prozent der Entwicklerteams bei Facebook sind männlich, und 70 Prozent der Angestellten bei Google.
Jung. männlich, weiß – Gründer leben nicht genug Diversity
Es hat sich gezeigt, dass sich monokulturelle, also wenig vielfältige Unternehmen, stark auf die eigene, relativ einheitliche Interpretation der Wirklichkeit verlassen. Oder anders ausgedrückt: je konformer und gleicher die Sichtweisen, desto größer die Betriebsblindheit und desto unflexibler ist auch die Haltung, auf externe Einflüsse reagieren zu können. Eine systematische Beschäftigung mit Diversity-Management fördert daher die allgemeine Akzeptanz alternativer Sichtweisen und Einschätzungen im Unternehmen.
Das wissen laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young in Kooperation mit Charta der Vielfalt e.V. die Mehrheit der Unternehmen in Deutschland. 65 Prozent ist sich der Tatsache bewusst, dass die Einbindung unterschiedlicher Lebensmodelle, kultureller Perspektiven und Erfahrungen dem eigenen Unternehmen Vorteile bringt. Drei Viertel der Unternehmen erkennen, dass eine vielfältig zusammengesetzte Belegschaft die Offenheit und Lernfähigkeit, und damit auch die Zukunftsfähigkeit sicherstellt. Und trotzdem sind zwei von drei Unternehmen in Deutschland auf absehbare Veränderung durch eine vielfältige Arbeitswelt nicht vorbereitet.
Teamfähigkeit ist dabei natürlich ein entscheidendes Kriterium, doch fest steht auch, dass Teams unterschiedlicher Charaktere, Personen divergenter Lebensphasen, Geschlechter und Nationalitäten eindeutig bessere Ergebnisse erzielen. Wer eine Diversity-Kultur etabliert, hat also bessere Chancen.
Vielfalt ist gut und wichtig. Letztlich stellt sich allerdings die Frage, ob Diversity in der derzeit praktizierten oder diskutierten Form den so propagierten Erfolg bringt. Sven Schmidt-Rohr, Chef der Softwarefirma Artiminds, hält vom zeitgenössischen Vielfalts-Kult in Unternehmen zumindest wenig und plädiert gegenüber Welt24 für einen pragmatischen Umgang mit der Diversität. Vielfalt sei ein Zustand, der sich auf natürliche Weise einstelle – oder eben nicht. Jedes System und jeder Organismus bilde stets selbsttätig heraus, was benötigt würde, um erfolgreich zu sein, sagt er. Für ein Start-up sei es heutzutage mehr denn je auch sehr wichtig, sich nicht in den oberflächlichen Kategorisierungen zeitgenössischer Diversity zu verlieren.
„Statt Menschen in Schubladen von Alter, Hautfarbe, Geschlecht zu werfen und zu messen, ob auch jede Schublade jeder möglichen Kombination an Kategorien genug Murmeln enthält, müssen wir uns auf das Individuum an sich besinnen.“ Sven Schmidt-Rohr, Artiminds