Solltet Ihr keine Lust haben zu lesen, haben wir gute Nachrichten für Euch: Dieser Artikel ist auch auf unserem Soundcloud-Account als Audiofile erhältlich! Und das ist erst der Anfang unserer Soundcloud-Karriere, denn wir werden ab sofort jede Woche ausgewählte Artikel für Euch einsprechen. Viel Spaß beim Hören!
Scheitern.
Was war Ihre erste Assoziation mit diesem hochaufgeladenen Wort? Ein leichtes Unbehagen? Die Lust schnell weiterzulesen? Böse Erinnerungen?
Lassen Sie mich annehmen, dass die meisten Assoziationen eher negativer Natur waren. Das ist durchaus verständlich, denn unsere Gesellschaft blickt alles andere als positiv auf das Scheitern. Es wird stigmatisiert, totgeschwiegen, kann zu Paralyse oder gar Selbstmord führen und doch gehört es zum Leben dazu. Die meisten von uns sind mindestens einmal gescheitert: in Beziehungen, in Prüfungen, als Unternehmer, vielleicht als Eltern. Mit dem Scheitern verhält es sich jedoch wie mit unbezahlten Rechnungen: Sie zu ignorieren ist keine Lösung!
Das dachte sich auch Attila von Unruh, als er die Auswirkungen des unternehmerischen Scheiterns am eigenen Leib spürte. Sein erfolgreiches Unternehmen ging pleite, und zwar durch einen Kunden, der nicht zahlte. Kurz vorher noch angesehener Unternehmer, fand er sich nun in der Rolle des sozial stigmatisierten Insolvenzlers wieder. Ein Thema, über das man besser nicht reden sollte, ob selbstverschuldet oder nicht. Der psychische Druck ist allerdings nicht unerheblich; mit schlechter Schufa bekommt man häufig keine Wohnung, garantiert keinen Handyvertrag und zu guter Letzt muss man auch noch dem neuen Chef von der Insolvenz berichten, geht man denn zurück ins Angestelltenverhältnis. Darüber nicht zu reden, ist also ein unmögliches Unterfangen.
Aus diesem Grund gründete Herr von Unruh das TeamU, die anonymen Insolvenzler. Eine Selbsthilfegruppe für gescheiterte Unternehmer. Ein geschützter Raum, in dem niemand urteilt, in dem man Erfahrungen teilt und die Bürde des Stigmas zusammen trägt. Hier versteht man, dass Erfolg und Niederlage zwei Seiten derselben Medaille sind. Frei nach dem Motto „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“
Aber woher kommt das Stigma? Warum ist man gerade in Deutschland so angstgelähmt, was die Gründung und ein damit verbundenes mögliches Scheitern angeht?
Ein Grund ist sicherlich die soziale Kriminalisierung des Scheiterns in Deutschland. Man fühlt sich als Versager und wird auch so behandelt, ob stillschweigend oder in offenen Worten. Unser Nachbar Frankreich, Großbritannien und die USA ermöglichen einem gescheiterten Unternehmer einen schnellen Neustart und sehen das Scheitern als Chance zur persönlichen Weiterentwicklung. Man hat sein Lehrgeld gezahlt, ist dadurch psychisch resilienter geworden und weiß, welche Fehler es künftig zu vermeiden gilt. Man fällt, reflektiert, startet neu. Der große Roger Willemsen beschrieb diesen Sachverhalt treffend: „ Es sind die Zeiten gekommen, in denen wir festgestellt haben, dass das Erfahren und Überwinden einer Niederlage zum Bauprinzip einer geglückten Arbeitsbiographie gehören kann.“
Amerikanische Personaler setzen bereits darauf und sind besonders interessiert an Bewerbern, die fielen und wieder aufgestanden sind. Davon ist man in Deutschland noch meilenweit entfernt. Auch wenn längst nicht mehr zeitgemäß, setzen deutsche Personalchefs auf einen lückenlosen Karriereweg. Eine gescheiterte Existenz im Lebenslauf ist hierzulande ein K.o.-Kriterium.
Vor diesem Hintergrund sinken die Gründungszahlen seit 2011 kontinuierlich, auch wenn in der Realität nur 4% aller Neugründungen Insolvenz anmelden; die Angst bleibt.
Wir müssen den deutschen Blick auf das Scheitern also dringend der Realität anpassen und unser übersteigertes Sicherheitsbedürfnis hinterfragen. Sind denn nicht eigentlich die gescheitert, die aus Angst vor dem Scheitern in der Passivität verharren, deren gute Ideen so im Morast der Zweifel versickern?
Mögliches Scheitern gilt es als Teil des Lebens zu akzeptieren. Wir müssen auf soziokultureller Ebene vermitteln, wie man bestmöglich damit umgeht, wir brauchen einen offen Diskurs, statt sozialer Kriminalisierung. Wir brauchen ein Best Practice für das Scheitern.
Unsere Rubrik Herausforderungen möchte in eben diese Richtung blicken. Es soll um die Angst vor dem Scheitern, den Umgang damit, um Stress, Existenzängste und Druck gehen; eben um alle herausfordernden Emotionen, die Gründer umtreiben und die eigentlich totgeschwiegen werden. Wir, die Gründerfreunde, wollen drüber reden und zwar mit und für euch, dafür sind Freunde schließlich da, oder?!