Benedict Aicher von Flexcavo spricht im Gründerfreunde Interview über die Digitalisierung der Baubranche, intelligente Softwarelösung für Bauunternehmen und die Gründerstory des Startups.
Hier kommt ihr zum ausführlichen Podcast-Interview:
Hey Bene, stell dich doch gerne mal vor. Was machst du, wer bist du und was ist dein Antrieb?
Ich bin Benedict Aicher, Kurzform Bene. Ich bin in einer Bau- und Biegenfamilie im Süden von Deutschland geboren und hatte schon immer das “Bau-Gen” im Blut. Nach meinem BWL-Studium bin ich zunächst in die Unternehmensberatung eingestiegen. Mein Fokus lag da auf allem, was schwere Assets hat, denn mich faszinierte immer ein reales Produkt, das ich anfassen kann. Während meiner Zeit bei McKinsey habe ich angefangen, an der RWTH Aachen zu promovieren und habe dann aber irgendwann beides an den Nagel gehangen, weil ich festgestellt habe, dass der Unternehmer in mir schreit. Ich wollte zurück in die Industrie, die mir am meisten am Herzen liegt: die Bauindustrie.
Was ist die Idee hinter Flexcavo und wie kam es zur Gründung 2020?
Am ersten Tag der Universität 2015 habe ich meinen Mitgründer, Leonhard Fricke, kennengelernt. 2019 haben wir angefangen, über das Thema intelligente Baustelle zu diskutieren, weil wir gesehen haben, wie chaotisch Bau teilweise abläuft. Es gibt in Deutschland genügend Baustellen, die schief gelaufen sind, länger gedauert oder gekostet haben, als geplant. So viele Industrien schaffen es, sich zu digitalisieren, effizienter zu werden und durch Digitalisierung einen besseren Kundennutzen zu erschaffen. Im Bau schien das für uns nicht gegeben zu sein.
So haben wir zu Beginn erst einmal ganz lose darüber diskutiert, was geschehen müsste, um eine intelligente Baustelle zu erschaffen. Intelligenz im Baustellen-Kontext haben wir als einen dreistufigen Prozess definiert: Sammlung von Daten, Analyse von Daten und Prozessoptimierung.
Das war die Ursprungsidee. Die ist dann gereift und wir haben sie weiterentwickelt, bis auf eine erste Pre Seed Finanzierung im Juni 2020 die Unternehmensgründung folgte und wir losgelegt haben.
Welche Probleme löst Flexcavo auf der Baustelle?
Wir haben uns damals sehr viel mit Kunden unterhalten und wollten um die Baumaschine herum ein Softwareprodukt erschaffen, das die Aktivitätsdaten der Baumaschinenflotte extrahiert, Prozesse mapped und diese automatisiert. Ganz ohne Zettel und Stift. Die Baumaschine und alle Prozesse um sie herum werden transparent und abrufbar.
Wir sind davon überzeugt, dass Bauunternehmer:innen darauf konzentriert sein sollten, etwas zu bauen – das ist ihre Kernkompetenz. Wir wollen sie darin unterstützen, ihre Kernprozesse ausführen zu können, während die Backoffice Prozesse digitalisiert und effizienter ablaufen.
Gibt es Partner oder Kunden, die ausschließlich mit Flexcavo zusammen arbeiten?
Wir hatten sehr früh starke Partner mit denen wir über eine gemeinschaftliche Entwicklung des Produkts gesprochen haben. Einer dieser frühen Partner hat mittlerweile auch als Business Angel bei uns investiert.
Wir haben früh darauf gesetzt, gemeinsam mit Bauunternehmer:innen an praktisch umsetzbaren Lösungen für die Baustelle zu arbeiten. Die ersten Kunden sind mittlerweile auch komplett auf unser System umgestiegen. Sie verwalten ihre Flotte über uns, planen ihre Baustellen, managen die Dispositionen und bewerkstelligen mit Flexcavo z.B. Kostenverschreibungen und andere Prozesse.
Welche Werte vertritt Flexcavo neben dem praktischen Ansatz?
Neben Werten wie Wachstum (auch insbesondere als Team), gemeinsam zu lernen und einen gewissen Impact zu erreichen, haben wir uns noch den Wert Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben. Die Bauindustrie ist eine signifikante Industrie in dem Sinne, dass sie in Zukunft weiterhin gebraucht wird – aber eben auch signifikant in Hinblick auf den CO₂-Ausstoß.
Wir wollen die Bauindustrie neu denken und damit auch den Aspekt der Nachhaltigkeit.
Wie geht ihr das Thema Nachhaltigkeit an?
Wir haben uns zu Beginn CO₂ neutral aufgestellt, um den CO₂-Ausstoß unserer eigenen Maschinen zu kompensieren. Wir beschäftigen uns intensiv mit dem Thema Elektrifizierung – also welche Baugeräte und -maschinen elektrifiziert werden können und wie das ins Portfolio eingebaut werden kann. Der Vorteil von Elektrifizierung ist weniger Pollution aber auch weniger Lärm. Darüber hinaus schauen wir, wie wir das ganze Thema CO₂ für unsere Kunden transparent machen können und hier als Sparring-Partner zu agieren. Wir arbeiten gerade an einem neuen Feature, mit dem die Bauunternehmer:innen nicht nur einsehen können, wieviel CO₂ die Maschine produziert, sondern auch, wie sie dieses off-setten können.
Wie wird sich die Baubranche in Zukunft entwickeln? Stichwort Nachhaltigkeit und Digitalisierung.
Das Ganze wird ein großes Thema werden, davon bin ich fest überzeugt. Die jüngere Generation will neu denken und fragt aktiv nach Möglichkeiten der Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Die ältere und traditioneller geprägte Generation der Branche bemerkt mittlerweile die Bewegung auch in anderen Industrien hin zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Bauunternehmen sind sehr pragmatisch und Endprodukt orientiert. Wenn man die Vorteile und das Endprodukt aufzeigt – was getan werden muss und was man dafür bekommt -, sind die meisten sehr offen und hellhörig.
Was sind die nächsten großen Ziele von Flexcavo?
Natürlich wollen wir als Startup weiter wachsen. Wir haben im letzten Oktober eine Seed-Finanzierung abgeschlossen und ein solides Fundament des Unternehmens aufgebaut. Jetzt wollten wir mehr Kunden akquirieren, das Team vergrößern, mehr Umsatz zu generieren und mit den Standorten auch den Reach zu expandieren. Wenn ich ein bisschen in die Zukunft schaue, dann denke ich, dass wir mehr in Richtung Ökosystem-Gedanken gehen. Wir wollen Partner und Partnerinnen weitere Angebote wie Finanzdienstleister, Material, Menschen, Ersatzteile usw. einbeziehen.
Was waren eure größten Herausforderungen beim Gründen?
Das Gründen war schon immer in meinem Hinterkopf. Ich hab mich damals nach meinem Studium damit auseinandergesetzt aber noch nicht wirklich ready gefühlt. Einer der schwersten Dinge für mich damals waren, den sicheren Hafen zu verlassen und wirklich die Entscheidung zu treffen, den sicheren Job zu kündigen und zu gründen. Ich habe mir dann damals drei Fragen gestellt, um mich zu entscheiden:
- Bin ich wirklich überzeugt von dieser Idee? Kann ich mich dafür begeistern und bin ich bereit, die nächsten zehn, fünfzehn Jahre an dieser Idee und in dieser Branche zu arbeiten?
- Habe ich das richtige Gründerteam?
- Bereue ich in zehn Jahren, wenn ich es jetzt nicht tue?
Nach der Entscheidung muss es dann auch wirklich losgehen.
Was hättest du rückblickend anders gemacht und anderen Gründerinnen & Gründern heute raten?
Man muss das Rad nicht immer hundert Prozent neu erfinden, was interne Prozesse angeht. Was ich von Anfang an anders gemacht hätte, wäre, mehr Coaching von erfahrenen Gründerinnen und Gründern anzunehmen. Im Gespräch mit anderen lernt man extrem viel und das machen wir mittlerweile auch sehr intensiv.
Wie haben sich dein Alltag und deine Aufgaben als Gründer verändert?
Der große Unterschied zu meiner Zeit vor dem Gründen ist, dass ich lernen musste, wie ich eine gute Führungskraft mit Leadership-Qualitäten sein kann und das Team motivieren kann. Es sind seitdem Aufgaben auf mich zugekommen, die ich mir nie hätte vorstellen können. Als aktuelles Beispiel jetzt die Ukraine Situation. Es kamen Mitarbeiter auf mich zu, deren Familie von der Situation betroffen ist und mit mir darüber sprechen wollten. Man muss einfach als Führungskraft und als Verantwortlicher für das Startup und die Mitarbeitenden lernen, auch mit solchen unerwarteten Aufgaben umzugehen. Das braucht viel Fingerspitzengefühl, macht mir persönlich aber auch viel Spaß. Es ist eine schöne Sache, wenn man auch bei so etwas helfen kann aber man lernt nie aus.
Über Flexcavo
2020 gegründet von Benedict Aicher und Leonhard Fricke arbeitet Flexcavo mit dem mittlerweile 50-köpfigen Team an ihrer Mission, die Baubranche effizienter und digitaler zu gestalten. Das Ziel: mit intelligenter Softwarelösung Prozesse optimieren, Produktivität erhöhen und Gesamtkosten senken.