Bei den meisten ortskundigen Berlinern fallen die kulinarischen Erwartungen an die Restaurants der Niederbarnimstraße sicherlich nicht allzu groß aus. Schließlich handelt es sich um die unmittelbare Verlängerung der zu Recht in Verruf geratenen Simon-Dach-Straße, in der pseudo-kubanische Bars, indische Restaurants mit Cocktail-Happy-Hour und Pizza-Döner-Hybride um die geschmacksverirrten Herzen vorbeilaufender Touristen buhlen. Doch zum Glück gibt es selbst in Berlins unsympathischster Gastromeile Ausnahmen, die den Bogen, den die meisten von uns um diese Gegend schlagen, etwas kleiner werden lassen. Eine dieser seltenen Perlen ist das Chay Village.
Das für örtliche Verhältnisse unscheinbare Restaurant serviert vegetarische vietnamesische Küche, die – gemessen am unschlagbaren Preis – in Berlin ihresgleichen sucht. Angesichts der schieren Masse an zumeist soliden vietnamesischen Restaurants in der Hauptstadt ist das alles andere als leicht. Doch auch wenn die vietnamesischen Gastronomen qualitativ selten enttäuschen, so hat man bei Phở Bo, Glasnudelsalat und Co. viel zu selten das Gefühl, etwas wirklich Neues zu schmecken. Auch in diesem Punkt ist das Chay Village eine Ausnahmeerscheinung und überrascht mit erfrischend anderen Aromen.
Die bezüglich Optik und Haptik zugegebenermaßen etwas verbesserungswürdige Speisekarte ist sinnvoll unterteilt in Vorspeisen, Gedämpfte Speisen, Große Suppen, Nudelgerichte und Reisgerichte und macht bereits beim Lesen Appetit. Dieser wird umso größer, sobald die ansehnlich angerichteten Gerichte aufgetischt werden.
Als Vorspeise sehr zu empfehlen sind die Sommerrollen mit Erdnussdip sowie die Hefeteigklöße mit Karotten, Erbsen und Morcheln. Dann geht es weiter mit Gerichten wie Sôt Lac – Seitanwürfel in vegetarischer Austernsoße mit Saigongemüse und Erdnüssen – oder Vietnamesischem Bibimbap mit karamellisiertem Tofu, Sojafilets in Tomatensoße und einer Variation aus Gemüse und Ei. Die Gerichte im Chay Village lassen auch anspruchsvolle Foodie-Herzen höher schlagen. Experimentierfreudige Saftliebhaber werden sich außerdem über Ôi Húng freuen: Guaevensaft mit frischer Minze, Rohrzucker und Crushed-Ice.
Der überaus freundliche und kompetente Service sowie die gemütlichen Tische im Freien runden den unverschämt günstigen Besuch bei Chay Village gekonnt ab. Zum Abschluss noch eine gute Nachricht für diejenigen, die im Westen Berlins zuhause sind und für die eine Reise nach Friedrichshain Seltenheitswert hat: Das ursprüngliche Chay Village liegt in Schöneberg und ist ebenso empfehlenswert wie der Ableger in Friedrichshain.