Lebensmittel aus der Region, mehr Transparenz, weniger Verschwendung – wenn es um unsere Ernährung geht, sind dies Forderungen, die auf eine breite Zustimmung stoßen. Doch wie sollen gestresste Großstadtmenschen ihnen in ihrem Konsumverhalten gerecht werden? Ein junges Unternehmen wie Frischepost aus Hamburg macht es möglich, und die Gründerfreunde waren für einen Tag dabei.
In der Landwirtschaft steht man bekanntlich mit den Hühnern auf, oder auch noch früher. Die Salate jedenfalls, die an diesem Donnerstag ausgeliefert werden, wurden bereits um 4 Uhr morgens geerntet, und zwar genau in der Menge, die die Kunden des Hamburger Startups Frischepost bestellt haben – Ausschuss gibt es nicht. Frischepost-Mitgründerin Juliane Eichblatt holt die Ware dann persönlich beim Erzeuger ab und prüft die Qualität. Das ist ein Grundprinzip: zu allen Erzeugern besteht enger Kontakt, von dem auch die Kunden profitieren, denn sie haben die Möglichkeit genau nachvollziehen, was bei ihnen auf den Tisch kommt. Das können, müssen aber nicht Produkte mit einer Bio-Zertifizierung sein. Manche Landwirte produzieren gute Qualität nachhaltig und artgerecht, können jedoch manche Kriterien nicht erfüllen, die ihnen zu einem entsprechenden Siegel verhelfen würden.
Uli Overmeyer ist einer der Lieferanten von Frischepost. Zu seinen Betrieb gehören auch eine Manufaktur und ein großer Hofladen.
Begonnen hat die Geschichte von Frischepost an der WHU Vallendar, einer privaten Hochschule für Wirtschaft und Management. Dort lernten sich Juliane und ihre spätere Geschäftspartnerin Eva Neugebauer kennen und stellten viele Gemeinsamkeiten fest. Naturverbundenheit gehörte dazu, denn Juliane wuchs auf einem Bauernhof auf, Eva in der Forstwirtschaft. Auch der Wunsch, einmal den Schritt in Selbstständigkeit zu wagen, war bei beiden schon ausgeprägt, und so entwickelten sie die Idee, einen Lieferdienst für landwirtschaftliche Produkte aus der Region auf die Beine zu stellen. Zwischenzeitlich trennten sich allerdings ihre Wege. Juliane nahm einen attraktiven Job bei Henkel an, Eva bastelte an ihrer Masterarbeit zum Thema Logistik von Frischwaren.
Juliane Eichblatt prüft, ob Liefer- und Bestellmengen übereinstimmen.
Als Juliane an ihre Uni zurückkehrte, wollte sie eigentlich Studierende für ihren damaligen Arbeitgeber begeistern, für eine Festanstellung also. Stattdessen brachte das Widersehen mit Eva die beiden dazu, den alten Traum wahr werden zu lassen und Frischepost zu gründen. Hamburg erwies sich als idealer Standort, da Juliane schnell auch über ihren Vater viele Kontakte zu Landwirten aus dem Umland knüpfen konnte. Ein erster Test im August 2014 verlief erfolgreich, seit Januar 2015 fördert das Social Impact Lab Hamburg Frischepost und im April startete offiziell der Online-Shop. Dort gibt es neben saisonalem Obst und Gemüse auch Fleisch, Milchprodukte, Backwaren und in Manufakturen produzierte Lebensmittel wie Säfte, Honig und Salatsoßen, die alle aus dem Umland der Hansestadt kommen.
Ein letzter Check, ob auch alle Boxen richtig bestückt wurden.
Bestellt werden kann jeweils bis Dienstag, 24 Uhr, die Auslieferung erfolgt dann immer am Donnerstag. Nachdem Juliane alle Produkte eingesammelt hat, geht es in die gerade zum Weltkulturerbe ernannte Hamburger Speicherstadt, wo Frischepost Teil eines kleinen Lagers nutzen kann. Unverzüglich geht es dann an die Konfektionierung der Waren, denn gelagert werden dort selbstverständlich nur Produkte mit längerer Haltbarkeit. Bei der Verpackung in die wiederverwertbaren Boxen wird noch einmal die Qualität des Gemüses deutlich: der Römersalat so groß, der Kohlrabi auch in violett und der Wildsalat mit Blüten zusammengestellt wie ein kleines Kunstwerk – all das kennt man von dem konventionellen Supermarkt um die Ecke nicht. Schließlich erfolgt ein gründlicher Check der Bestelllisten, bis auch die letzte Zucchini den richtigen Adressaten gefunden hat. Jetzt können die Boxen ausgeliefert werden, mit einem Elektrofahrzeug, denn dem Prinzip Nachhaltigkeit bleibt Frischepost in allen Bereichen treu.
Fast zu schön, um gegessen zu werden: Wildsalat mit Blüten.
Noch steht Frischepost ganz am Anfang und die Zahl der Kunden ist klein, was die enge Bindung zu Lieferanten wie Kunden natürlich erleichtert. Trotzdem steht wie bei jedem anderen Startup Skalierung auf dem Programm. Während anfangs noch alle alles machten, hat Juliane sich jetzt auf den Wareneinkauf spezialisiert, während Eva ihre Kenntnisse im Logistikbereich in die Tat umsetzt. Mit Natalia Kroll, die sich um Presse und Marketing kümmert, ist eine weitere Vollzeitkraft dabei, die wie die beiden Gründerinnen durch das EXIST-Förderprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums bezahlt werden kann. Hinzu kommen freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihr Fachwissen einbringen und bei der Zusammenstellung der Boxen mit anpacken.
Und ab geht die Frischepost, natürlich mit einem umweltfreundlichen Elektromobil.
Innerhalb eines Jahres soll die Zahl der Frischepost-Kunden auf möglichst 1.000 ansteigen. Um das zu erreichen, wird das Angebot vielfältig erweitert. Eine Themenbox „Grillen“ gibt es bereits, ein Abo-Modell ist angedacht und als weiterer Liefertag ist zusätzlich zum Donnerstag der Montag fest eingeplant; mit einer Kita ist dafür ein größerer Abnehmer bereits gefunden. Noch etwas dauern wird es, bis eine App fertig ist, die den Kontakt zwischen Erzeugern und Kunden noch intensivieren soll; dann kann jeder den Werdegang seines ganz persönlichen Blumenkohls miterleben. Als Konkurrent könnte demnächst Bonativo auftreten, ein Startup mit ganz ähnlichem Geschäftsmodell aus dem Stall von Rocket Internet, das in Deutschland bisher nur Berliner beliefert. Die beiden Gründerinnen sehen dem gelassen entgegen, schließlich sei das Marktpotenzial groß genug für mehrere Anbieter. Und wer weiß, vielleicht können sie ihrerseits ihre Idee von Transparenz und Qualität irgendwann über Grenzen Hamburgs hinaus tragen.
Bild ganz oben: Eva Neugebauer, Lisa Kähler (Operation Manager), Juliane Eichblatt und Andreas Dopke (Sustainability Manager) von Frischepost präsentieren ein Teil ihres Angebots.