Mein Besuch auf der re:publica 2017 – Ein Blick in die Welt von morgen
Das Internet hatte es wahrlich nicht leicht in den letzten Jahren. Hate Speech, Fake News und Co. haben bei vielen für eine kritischere Auseinandersetzung mit dem Medium gesorgt, das lange als Allheilmittel für alle weltlichen Probleme galt. Wie geht also die Konferenz, die sich selbst als das „most inspiring festival for the digital society“ beschreibt, mit den neuen Herausforderungen um? Um diese Frage zu beantworten, habe ich mich für einen Tag unter das bunte Volk der re:publica 2017 gemischt.
Bereits beim Betreten der Messe wird deutlich, dass die Macher ein klares Statement setzen wollen. Quer über das Gelände trotzt „Love Out Loud“ in bunten Farben aller Negativität und setzt ein Zeichen für mehr menschliches Miteinander. Ebenso bunt sind die Vorträge der über 800 Redner aus mehr als 60 Ländern, deren Themen von Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Politik bis hin zu Unternehmensgründung und Blogging reichen.
Virtual Reality beim ZDF
Bevor ich mich den Vorträgen widme erkunde ich den überschaubaren Messebereich, wo mich ein Stand ganz besonders beeindruckt: Beim ZDF kann man ein eindrucksvolles Virtual-Reality-Szenario erleben.
Nachdem einem die VR-Brille aufgesetzt wird, befindet man sich in einem Fahrstuhl auf dem Weg in den obersten Stock eines Wolkenkratzers. Oben angekommen bietet sich einem ein schwindelerregender Blick in die Häuserschlucht und man tritt Schritt für Schritt auf ein Brett, das aus dem Gebäude ragt. Dabei wird die Laufbewegung aus dem echten Leben – auch hier balanciert man auf einem Brett – in das Spiel übertragen. Die Illusion, wirklich in hunderten Metern Höhe zu balancieren ist demnach so real, dass man ein Gefühl davon bekommt, wie es sich anfühlt wenn das Gehirn kaum noch unterscheiden kann zwischen virtueller und physischer Realität.
Ob Virtual Reality die Welt zum Positiven verändern wird ist schwer zu sagen, doch eins ist sicher: Die Zukunft wird spannend und sie kommt schneller als wir es uns vorstellen können.
Die World Poverty Clock
Sechs Redner zeichnen im Vortrag „Technology Worldwide – Between Utopia and Dystopia“ eine Momentaufnahme der digitalen Welt von heute. Dass auch hier von sechs Reden lediglich eine, nämlich die der Wortakrobatin Puno Seleshko, der Dystopie zuzuordnen ist, passt zum vorherrschenden Optimismus auf der diesjährigen re:publica. Besonders beeindruckt hat mich jedoch Wolfgang Fengler, führender Wirtschaftswissenschaftler bei der Weltbank, der in seiner Rede die World Poverty Clock vorstellt. Diese ist auch beim Stand des World Data Laboratory aus Wien zu sehen und visualisiert auf nie dagewesene Art und Weise wie viele Menschen weltweit in absoluter Armut leben.
Die gute Nachricht: Die Zahl fällt im Sekundentakt – Die Darstellung macht also Mut. Die schlechte Nachricht: Um die 2015 von der UN verabschiedeten Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen fällt sie noch nicht schnell genug. In welchen Ländern der Handlungsbedarf am größten ist wird auf der zweiten Seite der Visualisierung deutlich. Auf dieser sind alle Länder farblich markiert, was Aufschluss darüber gibt, ob die Armutsrate schnell genug sinkt (grün), nicht schnell genug sinkt (gelb) oder gar steigt (rot). Bald sollen hier sogar die einzelnen Regionen der Länder einzeln dargestellt werden. Ein tolles Tool also für eine nachhaltige Entwicklungspolitik.
Die World Poverty Clock stimmt optimistisch. Nicht nur weil die Zahl der in Armut lebenden Menschen stetig fällt, sondern auch weil das Ziel erreichbar scheint.
Der Weltraumaufzug
Rainer Kresken ist Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik und hält im Labore:tory, dem „Zukunftsspielplatz“ der re:publica einen ungewöhnlichen Vortrag mit dem Titel: Der Weltraumaufzug: Heute Science Fiction – Morgen Realität“.
Bereits 1979 hat Arthur C. Clarke in seinem Roman „The Fountains of Paradise“ über einen Weltraumaufzug fantasiert. Astronauten und Instrumente über einen einfachen Lastenaufzug ins All befördern – statt energiefressende Raketen zu nutzen. Was sich damals kaum jemand vorstellen konnte, wird laut Kresken in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein.
Grund dafür ist ein neu entdeckter Werkstoff, das die zentrale Frage des Projektes beantworten könnte: Welches Material ist reißfest genug, um daraus ein mehrere Zehntausend Kilometer langes Seil herzustellen, das Boden- und Himmelssation miteinander verbindet? Selbst Stahl würde bereits nach hundert Kilometern unter dem eigenen Gewicht reißen. Doch nun haben Forscher sogenannte Kohlenstoff-Nanoröhrchen entdeckt, ein Material mit geradezu wundersamen Eigenschaften. Bereits ein 0,5 Milimeter dicker Faden des Werkstoffs hält ein Gewicht von über zwei Tonnen. Ein Seil aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen könnte also die enorme Gravitationskraft aushalten und eine Verbindung zur Himmelsstation herstellen. Diese würde dann wie ein Satellit um die Erde kreisen und sich immer über dem gleichen Punkt der Erde befinden. Auch wenn die Baukosten eines solchen Vorhabens enorm wären, Kresken sieht im Weltraumaufzug ein enormes Potential für die Zukunft der Raumfahrt. Neben der Schonung von Resourcen und der Möglichkeit auch sehr große Nutzlasten zu transportieren, führt er auch die geringen Betriebskosten eines solchen Aufzugs als potentielle Vorteile gegenüber Raketen auf.
Auch wenn das Projekt Weltraumaufzug noch viele technische Hürden überwinden muss, rein rechnerisch scheint es bereits möglich. Für die Raumfahrt würde dies einer Revolution gleichkommen.
Welchen Eindruck hinterlässt also die re:publica? Auch wenn manche Kritiker einen Mangel an konstruktiven Lösungsvorschlägen bemängeln, habe ich mich von der positiven Grundstimmung der Messe anstecken lassen, denn in meinen Augen sind es inspirierende Veranstaltungen wie diese, die die Welt gerade mehr denn je braucht. Die Symbolkraft die von Europas größter Konferenz der digitalen Gesellschaft ausgeht ist nicht zu unterschätzen und sie erfüllt ihren Auftrag für die digitale Welt von morgen zu werben. Eine digitale Welt, die bunt bleibt.