Der Twitter-Account glüht, die selbstverständlich SEO-optimierte Webseite liefert den perfekten Call-to-Action-Button und Facebook und Instagram bespielt der Social-Media-Manager (Schrägstrich Praktikant) höchst professionell. Nur bei der PR hakt es. Süddeutsche, WiWo, Businesspunk – nicht mal die Gründerfreunde – hatten Interesse an der aktuellen Pressemitteilung. Und auch ansonsten ist die PR-Resonanz bisher eher bescheiden. Da fragt sich so mancher Gründer: „Lohnt sich klassische PR überhaupt noch?“
Und außerdem: „Was lief denn da schief?“ Warum klassische Pressearbeit auch heute noch ein wichtiges Puzzleteil im Marketing- und Social Media-Mix ist und welche Fehler fast alle Startups dabei begehen: Wir verraten es Euch.
Warum PR auch heute noch starke Argumente bietet
Eins schon mal vorweg: Klassische PR ist natürlich unersetzbar. Schließlich sind Journalisten und Medien wesentlich glaubwürdigere Multiplikatoren als Kunden oder Freunde, die Euren Facebook-Post teilen. Sie berichten und empfehlen aus einer neutralen Perspektive, was eine viel aussagekräftigere Wirkung hat, als jede teuer bezahlte Anzeige oder möglicherweise gekaufte Likes oder Rezensionen. Jeder Bericht, in dem ein Unternehmen genannt wird, jedes Statement, jeder Expertenbeitrag in einem Autorenartikel steigert das Vertrauen der Zielgruppe – und das mit recht geringem finanziellen Aufwand. Dabei spielt die Wahrnehmung des Mediums eine zentrale Rolle.
Wir suchen nach verlässlichen Informationen und bringen seriösen Quellen ein großes Vertrauen entgegen. Das zeigt die Allensbach-Studie des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) „Relevanz und Glaubwürdigkeit der Medien“: Mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der Deutschen ab 16 Jahren glauben demnach bei unterschiedlichen Meldungen über ein und dasselbe Ereignis eher Zeitschriften und Zeitungen – lediglich acht Prozent vertrauen eher den sozialen Netzwerken.
Fehler Nummer eins: Zu schnell zu viel erwarten
Wer allerdings meint, mit der ersten Pressemitteilung eine garantierte Abdruckquote zu erreichen, die sich möglicherweise sofort im ROI niederschlägt, der irrt. Gründer sehen ihr Startup naturgemäß aus einer ganz anderen Perspektive, als ein Journalist. Sie sehen ihre USPs, die Einzigartigkeit und das bereits Erreichte. Das gerade gegründete Unternehmen – das ist schließlich ihr Leben und mit Sicherheit der bisher größte Triumph ihrer Karriere.
Diese „Eitelkeit“ ist verständlich. Aber sie führt auch zu Jubelmeldungen, die bei Journalisten nicht so gut ankommen. Für die Redaktionen ist die eine Pressemitteilung nur eine unter hunderten, die am Tag hereinrauschen. Mit etwas Glück wird sie sogar gelesen. Die Erwartungshaltung ist daher das erste, was Gründer herunterschrauben müssen. PR ist kein Sprint – hier zählen Ausdauer, Kontinuität, gut aufbereitete Inhalte – das altbekannte Grundrauschen eben.
Fehler Nummer zwei: die falsche Perspektive
Eine Pressemitteilung richtet sich an – ja genau – an die Presse. Werbebotschaften, Superlative, Claims, alle gebrandeten Bilder, Logos und IN BLOCKBUCHSTABEN GESCHRIEBENE FIRMENNAMEN – all das mag zwar für die Marketingabteilung relevant sein. Journalisten mögen es nicht. Sie berichten schließlich neutral. Um einen Pressevertreter zu überzeugen, um sein Interesse zu wecken, ein Unternehmen – auch wenn es noch klein und am Anfang steht – überhaupt zu erwähnen, braucht es eine gehörige Portion Empathie.
Versetzt Euch in die Lage des Journalisten. Wo steckt die News, welchen Mehrwert könnt Ihr ihm und den Lesern des Mediums liefern? Wie beißt er an? Welche Geschichte über Euch ist so spannend, schräg oder bemerkenswert – Stichwort Storytelling – welche Aussage so speziell oder aktuell oder auch so exklusiv für dieses eine Medium, dass ausgerechnet Euer Startup als Beispiel genannt oder Euer CIO zitiert wird? Wenn Ihr das herausfiltert, erhöhen sich Eure Chancen auf einen Abdruck enorm.
Fehler Nummer drei: PR auf Biegen und Brechen
Was gibt’s denn neues? – ach egal. Falsch! Das solide Grundrauschen ist zwar hilfreich, um auf Dauer in der Presse wahrgenommen zu werden. Dabei sollte man aber die eine wichtige PR-Regel beherzigen: Schreibt nur dann, wenn Ihr auch etwas zu sagen habt. Denn nur gute Texte haben eine Chance, gelesen zu werden: Inhalte mit Substanz, Infos mit Nutzwert, Denkanstöße, gut erzählte Geschichten. Wenn ihr mit solchen PR-Texten am Ball bleibt und wiederholt als kompetenter Ansprechpartner wahrgenommen werdet, entwickelt sich langsam ein Vertrauensverhältnis.
Fehler Nummer vier: Journalisten ins Leere laufen lassen
Wenn Journalisten über Gründer und Startups berichten sollen, dann sollten sie auch etwas Verwertbares vorfinden: Zahlen, Fakten, Studien, Bilder, natürlich interessante Geschichten und einen gut auffindbaren Pressekontakt. Macht Euch die Mühe, einen Pressebereich auf Eurer Website einzurichten. Und: Macht Euch sichtbar: Wer beim Googlen oder auf der Unternehmensseite nicht gleich herausfindet, wer hinter dem Startup steckt – bitte mit druckfähigem Foto – ist ganz schnell wieder weg.
Wie schon erwähnt, ist die gute Story hinter dem Unternehmen für Journalisten wesentlich wertvoller, als die Information darüber, dass es jetzt beispielsweise noch einen tollen neuen Bio-Lifestyle-Drink auf Craft Beer-Basis gibt, oder noch eine neue App zur Ermittlung ketogener Restaurants mit veganer Karte in Kreuzberg. Interessant ist, welche Intention hinter der Gründung steckt. Interessant ist, dass ein Gründer schon den ein oder anderen Pivot hingelegt hat. Dass er eigentlich unglücklicher Mathelehrer ist, der seinen Beamtenstatus für den freien Fall ins Ungewisse aufgegeben hat.
Fehler Nummer fünf: PR an der Zielgruppe vorbei
Nehmen wir mal das oben genannte Beispiel mit der ketogenen oder veganen App. Aus Sicht der Macher ist das Gesundheitsressort von Spiegel Online für die Pressemitteilung eine wahnsinns-Adresse. Wahrscheinlich wird Spiegel Online aber nicht berichten. Und auch die FAZ, die Süddeutsche, die Bild oder die Zeit sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Teil des Presseverteilers, aber zum Glück sind das nicht die einzigen Medien, die von der in diesem Fall veganen oder gesundheitsbewussten Zielgruppe konsumiert werden.
Deshalb ist ein gut recherchierter Verteiler, der auch Fachmagazine, Blogger und Onlinemedien zu spitzen Themen mit einschließt, jedes Geld wert. Je kleiner und spezifischer dieser ist, je detaillierter und persönlicher die Ansprache ausfällt, umso wahrscheinlicher gelangen Texte, Inhalte und News in genau die Medien, in denen Eure Zielgruppe nach vertrauenswürdigen Fakten sucht.
Kleiner Tipp zum Schluss: Gute PR ist Chefsache
Ein Journalist wird wesentlich lieber von einem Gründer selbst angerufen, der ihm alle relevanten Fakten mit der nötigen Kompetenz präsentieren kann, als von einem PR-Praktikanten aus einer größeren Agentur. Denn dort werden Kunden mit kleinerem PR-Budget im Tagesgeschäft eher selten vom Senior-Berater betreut. Wenn Ihr, was verständlich ist, Besseres zu tun habt, als Eure Tage mit Telefonaten durch die deutsche Presselandschaft zu verbringen, dann gebt Eure Pressearbeit lieber an kleine spezialisierte Pressebüros heraus oder an PR-Freelancer. Hier zahlt ihr nicht für den großen Agentur-Apparat und könnt tatsächlich Kontinuität und Chefberatung erwarten.