Als Firmengründer oder Entrepreneur seid ihr wahrscheinlich voller Energie, Visionen und Tatendrang. Doch während ihr eure Träume verfolgt, lauern manchmal unerwartete Hindernisse – eines davon ist die Wegzugsbesteuerung. Klingt trocken? Mag sein. Ist es aber wichtig? Definitiv! Besonders, wenn ihr darüber nachdenkt, euren Wohnsitz ins Ausland zu verlegen oder eure Firma international aufzustellen.
In diesem Beitrag erkläre ich euch, was die Wegzugsbesteuerung eigentlich ist, welche rechtlichen und finanziellen Konsequenzen sie für euch haben kann und wie ihr eure Unternehmensstruktur von Anfang an strategisch gestalten könnt, um böse Überraschungen zu vermeiden. Achtung: Dieser Artikel dient nur als Orientierungshilfe – für eine individuelle Beratung solltet ihr unbedingt einen Steuerberater oder Anwalt konsultieren.
Was ist die Wegzugsbesteuerung?
Die Wegzugsbesteuerung klingt im ersten Moment kompliziert, ist aber eigentlich einfach zu erklären: Sie betrifft natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt von Deutschland ins Ausland verlegen. Wenn du einen erheblichen Anteil (mindestens 1%) an einer Kapitalgesellschaft hältst, wird dein Anteil so behandelt, als hättest du ihn verkauft – auch wenn das gar nicht der Fall ist. Die Folge? Eine Steuer auf den (fiktiven) Gewinn.
Die Rechtsgrundlage für die Wegzugsbesteuerung findet sich in § 6 des Außensteuergesetzes (AStG). Dieser regelt, dass bei der Verlagerung des Wohnsitzes ins Ausland eine sogenannte fiktive Veräußerung der Anteile angenommen wird, wenn die Beteiligungshöhe mindestens 1% beträgt. Der fiktive Veräußerungsgewinn wird wie ein tatsächlicher Gewinn besteuert.
Das Gesetz soll verhindern, dass ihr als Unternehmer durch einen Umzug ins Ausland deutsche Steuern umgeht. Kurz: Deutschland will sicherstellen, dass es seinen „Teil vom Kuchen“ bekommt, bevor ihr mit eurer Firma oder eurem Vermögen woanders durchstartet.
Warum betrifft das Firmengründer besonders?
Als Gründer oder Startup-Besitzer seid ihr oft eng mit eurer Firma verbunden. Eure Anteile an der Gesellschaft sind nicht nur euer Kapital, sondern auch euer Herzblut. Das Problem: Wenn eure Firma wächst und an Wert gewinnt, steigt auch der sogenannte stille Gewinn. Genau dieser stille Gewinn wird besteuert, wenn ihr Deutschland verlasst – selbst wenn ihr eure Anteile behaltet.
Ein einfaches Beispiel:
- Ausgangslage: Du hast 2015 eine GmbH gegründet und hältst 100% der Anteile. Dein Eigenkapital beträgt damals 10.000 Euro.
- Heute: Die Firma hat stark an Wert gewonnen, und deine Anteile sind nun 500.000 Euro wert.
- Wegzug: Du ziehst 2024 nach Spanien. Die Differenz zwischen deinem damaligen Kapitaleinsatz (10.000 Euro) und dem aktuellen Wert (500.000 Euro) – also 490.000 Euro – wird in Deutschland steuerpflichtig, als hättest du die Anteile verkauft.
Je nach Steuersatz kann das schnell zu einer massiven Steuerlast führen, die du bezahlen musst, obwohl du gar kein tatsächliches Geld aus einem Verkauf hast. Klingt unfair? Vielleicht, aber so ist die Rechtslage.
Was sind die rechtlichen und finanziellen Konsequenzen?
Die Wegzugsbesteuerung kann euch in vielerlei Hinsicht betreffen. Schauen wir uns die wichtigsten Punkte an:
1. Sofortige Steuerpflicht
Grundsätzlich wird die Steuer nach § 6 Abs. 1 AStG sofort fällig, sobald ihr euren Wohnsitz ins Ausland verlegt. Das bedeutet, ihr müsst eine erhebliche Summe an das Finanzamt abführen, obwohl ihr eure Anteile gar nicht verkauft habt. Das kann vor allem für Startups existenzbedrohend sein, wenn keine ausreichende Liquidität vorhanden ist.
2. Ratenzahlung oder Stundung
Laut § 6 Abs. 5 AStG könnt ihr unter bestimmten Voraussetzungen eine Stundung der Steuer beantragen. Dies gilt vor allem, wenn ihr innerhalb der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) umzieht. Die Steuer kann dann über einen Zeitraum von sieben Jahren verteilt gezahlt werden.
Wichtig: Seit 2022 gelten verschärfte Regeln. Solltet ihr später außerhalb der EU/EWR umziehen, kann die Stundung rückwirkend entfallen, und die gesamte Steuer wird fällig.
3. Steuerliche Risiken bei Rückkehr
Solltet ihr später nach Deutschland zurückkehren, können bereits gezahlte Steuern teilweise angerechnet werden. Allerdings hängt dies von verschiedenen Bedingungen ab, die im § 6 Abs. 3 AStG geregelt sind. Plant ihr eine Rückkehr, solltet ihr die steuerlichen Folgen daher genau prüfen.
4. Dokumentationspflichten
Laut § 90 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) seid ihr verpflichtet, den Wert eurer Anteile nachweislich zu dokumentieren. Das Finanzamt wird diesen Wert prüfen, und ohne eine saubere Buchführung könnt ihr schnell in Erklärungsnot geraten. Das kann nicht nur zu einer höheren Steuerlast, sondern auch zu rechtlichen Konsequenzen führen.
Wie kannst du die Wegzugsbesteuerung vermeiden oder minimieren?
Auch wenn die Wegzugsbesteuerung erst einmal wie ein unüberwindbares Hindernis wirkt, gibt es Möglichkeiten, die Belastung zu minimieren oder klug zu managen. Wichtig ist, dass ihr euch frühzeitig Gedanken macht – am besten schon bei der Gründung eures Unternehmens.
1. Internationale Unternehmensstruktur
Eine der effektivsten Strategien ist es, von Anfang an eine internationale Unternehmensstruktur aufzubauen. Statt beispielsweise eine GmbH in Deutschland zu gründen, könnt ihr überlegen, eine Holding-Struktur zu nutzen.
Beispiel einer Holding-Struktur:
- Ihr gründet eine Holding in einem anderen Land (z. B. Luxemburg oder den Niederlanden), die eure deutsche Tochtergesellschaft besitzt.
- So könnt ihr bei einem späteren Wegzug von Deutschland ins Ausland möglicherweise steuerliche Vorteile nutzen, da die Anteile an der ausländischen Holding nicht unter die deutsche Wegzugsbesteuerung fallen.
Aber Vorsicht: Solche Konstruktionen müssen sauber und rechtssicher aufgesetzt werden, sonst drohen Konflikte mit dem Finanzamt. Die steuerliche Anerkennung solcher Modelle wird unter anderem durch § 42 AO (Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten) geprüft.
2. Timing ist alles
Wenn ihr ohnehin plant, ins Ausland zu gehen, solltet ihr das am besten zu einem Zeitpunkt tun, an dem der Wert eurer Firmenanteile noch vergleichsweise niedrig ist. So haltet ihr die Steuerlast gering.
3. Einbeziehung von Freibeträgen
Laut § 6 Abs. 1 AStG gibt es in bestimmten Fällen einen Freibetrag, der eure Steuerlast senken kann. Diese Regelung ist jedoch an strikte Bedingungen geknüpft – wie zum Beispiel, dass ihr in einem EU-/EWR-Staat bleibt.
4. Frühzeitige Beratung
Niemand mag Steuerberater, bis man einen braucht – und bei der Wegzugsbesteuerung braucht ihr definitiv einen. Ein guter Steuerexperte kann euch helfen, legale und effektive Strategien zu entwickeln, um eure Steuerlast zu minimieren.
Was musst du bei der Gründung beachten?
Um euch den Ärger mit der Wegzugsbesteuerung später zu ersparen, solltet ihr schon bei der Gründung eures Unternehmens einige Punkte berücksichtigen. Hier sind ein paar Tipps:
1. Wahl der Rechtsform
Nicht jede Rechtsform ist gleichermaßen von der Wegzugsbesteuerung betroffen. Wenn ihr zum Beispiel eine Personengesellschaft (wie eine GbR oder KG) gründet, unterliegt ihr in der Regel nicht der Wegzugsbesteuerung. Aber: Diese Rechtsformen haben andere steuerliche Nachteile, vor allem bei größeren Firmen.
2. Flexibilität durch Holding-Strukturen
Wie oben erwähnt, bietet eine Holding-Struktur oft mehr Flexibilität. Solche Konstruktionen sind komplex, aber sie können euch langfristig viel Ärger ersparen.
3. Dokumentation und Bewertung
Von Anfang an solltet ihr den Wert eurer Firma und eurer Anteile regelmäßig dokumentieren. Eine klare und transparente Buchführung hilft euch später, die Steuerbelastung genauer zu kalkulieren.
4. Strategische Standortwahl
Überlegt euch, ob es Sinn macht, gleich in einem anderen Land zu gründen, das steuerlich attraktiver ist. Aber Vorsicht: Viele Länder haben ihre eigenen „Wegzugsfallen“, und ihr müsst sicherstellen, dass ihr die steuerlichen Anforderungen in beiden Ländern erfüllt.
Planung ist das A und O
Die Wegzugsbesteuerung mag zunächst einschüchternd wirken, aber mit der richtigen Planung und Strategie könnt ihr die Belastung reduzieren oder sogar komplett vermeiden. Der Schlüssel liegt darin, euch frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen und Experten hinzuzuziehen, die eure individuelle Situation analysieren.
Eure unternehmerische Reise soll nicht durch steuerliche Hürden gebremst werden. Aber ohne Vorbereitung kann genau das passieren. Also: Geht das Thema proaktiv an, überlegt euch schon bei der Gründung eine kluge Struktur und bleibt flexibel.
Noch einmal der Hinweis: Dieser Beitrag ist keine steuerliche oder rechtliche Beratung.