Die Zukunft des Journalismus findet im Internet statt – darauf können sich die meisten einigen. Doch wie wird er aussehen? Welche Rolle wird Big Data dabei spielen? Werden uns Roboter den Wetterbericht schreiben? Und was lässt sich mit einer Datenbrille aus Pappe anstellen? Auf der Suche nach Antworten haben wir bei OpenDatyCity Station gemacht.
OpenDataCity (ODC) ist eine Agentur für Datenjournalismus und Datenvisualisierungen mit Büros in Hamburg und Berlin. Das Team besteht aus Journalisten, Entwicklern und Visualisierern, wobei in der Kernmannschaft die vier bis fünf Programmierer die beiden Journalisten zahlenmäßig klar dominieren. Hinzu kommen sechs bis acht freie Mitarbeiter. Grundsätzlich erstellt OpenDataCity alle Applikationen als freie Software und stellt die Daten als Open Data für Recherchen und zur Weiterentwicklung zur Verfügung. Kleinere Anwender nutzen die freien Lizenzen, größere mit entsprechendem Budget zahlen sogar freiwillig dafür.
Je nach Projekt arbeitet man mit unterschiedlichen Medienpartnern zusammen; zu den Kunden gehören alle großen deutschen Verlagshäuser, öffentlich-rechtliche Sender im In- und Ausland, sowie NGOs. Die Agentur hat diverse nationale und internationale Preise gewonnen (Lead-Awards, Grimme Online Award, World Summit Award, Online News Award).
Eine Hauptaufgabe des Datenjournalismus ist es, große Mengen von Informationen (Big Data) so aufzubereiten, dass Laien auch Zugang zu komplexen Themen finden können, ohne dass dabei eine verfälschende Vereinfachung stattfindet. Ein gebräuchliches Mittel ist dabei die Visualisierung. Infografiken finden sicht mittlerweile überall, auch in klassischen Printmedien. Der Nachteil dort: Das Bild muss statisch bleiben, während im Internet durch einen einfachen Klick eine zusätzliche Infomationsebene hinzugefügt wird. Beispielsweise kann ein Stadtplan als Ausgangsgrafik verschiedene Interessen parallel bedienen: Der eine sucht nach Restaurants und Bars in seinem Viertel, die andere nach kulturellen Sehenswürdigkeiten oder Kitas. Ein weiterer Vorteil des Internets sind Animationen. Das Beispiel unten zeigt die Besucherströme auf der Messe re:publica 2013 (per Klick auf den re:log-Link gibt es dazu genauere Infos).
Zur re:log-Website. Realisiert von OpenDataCity. Unterstützt durch picocell und newthinking. Anwendung steht unter CC-BY 3.0.
Natürlich erwächst aus dem Umgang mit großen Datenmengen auch eine große Verantwortung, wie Marco Maas, geschäftsführender Gesellschafter von OpenDataCity, betont. Er selbst hat seine Wohnung mit allerlei Sensoren ausgestattet, um zu sehen, was in SmartHomes alles an Daten gesammelt wird. Dabei hat er zufällig festgestellt, dass er zum Beispiel allein anhand des CO2-Gehalts der Raumluft online feststellen kann, ob seine Freundin allein zu Hause ist oder Besuch hat – was gar nicht die Absicht war. Das weckt Ängste vor der totalen Überwachung, aber Maas sieht im ethisch motivierten Datenjournalismus im Gegenteil die Chance, bisher unter der Decke gehaltene Tatsachen öffentlich zu machen, und nennt als Beispiel das Hamburgische Transparenzgesetz, das es den Bürgern ermöglicht, Einblick in die Verwaltungsvorgänge der Hansestadt zu bekommen, und das in einem Umfang, der nur online zu realisieren ist. ODC sei nicht auf den großen Reichtum aus oder den Exit an einen Medienkonzern, sondern strebe einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten an.
Ein weiteres Spezialgebiet, das in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird und dem sich OpenDataCity widmet, ist der Roboterjournalismus. Hier werden bestimmte Inhalte nicht mehr von Menschen formuliert, sondern quasi maschinell zusammengestellt, etwa Wetterberichte, Verkehrsmeldungen, Börsenkurse oder Sportergebnisse. Je nachdem, auf welchen Kanälen die Nutzer gerade erreichbar sind, können Eilmeldungen individuell an das Smartphone oder den PC geschickt werden, als Text, Bild oder akustisches Signal. Für ein solches Projekt und zwei weitere zu den Themen Sensorjournalismus und Echtzeit-Opendata, hat OpenDataCity gerade jeweils eine Förderung von 50.000 Euro von dem SpeedUP! Europe-Accelerator erhalten, einer EU-Initiative, die an diesem Wochenende in Hamburg ihren Kick-Off feiert. Die Gründerfreunde werden berichten.
Und dann ist da noch die Datenbrille. Fast täglich sind neue Ankündigungen zu lesen, mal von Oculus Rift, mal von Samsung, mal von Micsosoft (Hololens) und immer wieder über Google Glass. Dabei gibt es von Google längst eine Alternative, die zwar wie ein billiges Gimmick aussieht (Bild ganz oben: Marco Maas mit dem Gerät), aber erstaunliches leisten kann: Google Cardboard. Bereits ab knapp zehn Euro und auch als Bausatz erhältlich, benötigt man zusätzlich nur noch ein handelsübliches Smartphone, das in die Kiste gesteckt wird, und die passende App und kann damit erstaunliche Effekte erzielen. 360°-Ansichten etwa, oder simulierte Achterbahnfahrten, bei denen einem trotz etwas schlichter Grafik schlecht werden kann.
„2015 wird das Jahr der Datenbrille“, prognostiziert Maas, und gerade für Startups sind die potenziellen Anwendungen vielfältig. Virtuelle Stadtführungen vor Ort sind denkbar, die den Vergleich von Sehenswürdigkeiten heute und vor hundert Jahren ermöglichen, oder Liveübertragungen von Sport- ound Kulturveranstaltungen, bei denen die Zuschauer per Brille mitten im Geschehen sitzen können und einen Rundumblick haben. OpenDataCity testet gerade eine Cardboard-Anwendung über Java-Script, die unabhängig vom Betriebssystem funktioniert und eine höhere Bildauflösung ermöglicht. Die Datenbrille in der Pappvariante ist optisch gewöhnungsbedürftig und unhandlich, könnte aber dank ihres geringen Preises verschenkt werden, etwa als Verpackung des neuen Handys, um so die Kunden an das Gerät heranzuführen. Marco Maas jedenfalls ist zuversichtlich, dass in nicht allzu ferner Zukunft diese und andere Datenbrillen eine weite Verbreitung finden werden und ist bereit, Startups, die eine Geschäftsidee auf dieser Technologie aufbauen wollen, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.