Der Corona-Lockdown hat dramatische Auswirkungen auf die Wirtschaft. Auch viele Startups sehen
sich mit Umsatzeinbrüchen von bis zu 100% konfrontiert. Des Weiteren ist nicht klar, wie sich die
Pandemie und die Weltwirtschaft in näherer Zukunft entwickeln wird, wie lange stürmische Zeiten
für Unternehmen herrschen und vor allem wie leicht sich Startups aktuell und in näherer Zukunft mit
„frischen Kapital“ versorgen können.
Die bekanntesten deutschen Steuerexperten für Startups, Elisa Lutz und Tobias Sick von der
mittelständischen Kanzlei HWS, geben Startups 5 wertvolle Tipps an die Hand, um möglichst gut
durch die derzeitige Corona-Krise zu gelangen.

Insolvenzantragspflicht vorerst ausgesetzt


Genau in solchen Ausnahmesituationen wie jetzt zeigt sich, dass der Spruch: „Liquidität vor
Rentabilität“ noch immer Gültigkeit besitzt. Denn durch die Corona-Krise geht vielen Unternehmen,
unter anderem Startups, die sich bereits durch Umsatzerlöse (und nicht (nur) durch
Investorengelder) finanzieren, das Geld aus, weil die Umsätze einbrechen. Aber auch die
Durchführung von Kapitalerhöhungen und die Gewinnung von neuen Investoren dürfte in der aktuell
unsicheren Zeit für die meisten Startups deutlich schwieriger sein erwartet Elisa Lutz.
Um einer Insolvenzwelle entgegen zu wirken, wurde die Pflicht des Geschäftsführers zur Anmeldung
der Insolvenz für eine durch Covid-19 bedingte Zahlungsunfähigkeit vom deutschen Gesetzgeber bis
September 2020 ausgesetzt. Damit wird Unternehmen und vor allem auch Startups etwas finanzielle
Luft ermöglicht. Normalerweise wäre der Geschäftsführer nämlich verpflichtet, bei Krediten und
anderen Zahlungsverpflichtungen, die nicht in absehbarer Zeit beglichen werden können, innerhalb
von drei Wochen Insolvenz anzumelden. Andernfalls bestünde eine Insolvenzverschleppung in
welcher der Geschäftsführer persönlich in Haftung genommen werden kann.
Natürlich gibt es gewisse Bedingungen, die zu erfüllen sind, um von dieser Möglichkeit Gebrauch zu
machen. Es darf beispielsweise nicht bereits eine Zahlungsunfähigkeit zum 31.12.2019 vorgelegen
haben. Des Weiteren dürfen keine anderen Umstände vorliegen, die nahelegen, dass eine
erfolgreiche Sanierung des Unternehmens zukünftig nicht gegeben ist.

Tobias Sick: „Corona-Matching-Fazilität“ – Verdoppelung der Liquidität


Nicht nur Liquidität zur Deckung der Fixkosten ist wichtig, sondern darüber hinaus Finanzmittel, die
es erlauben, in das eigene Business zu investieren, um noch schneller aus dem Umsatztief
herauszukommen und die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu legen.
Eine solche Möglichkeit stellt für Startups die jüngst angekündigte „Corona-Matching-Fazilität“ (CMF)
der zur staatlichen KfW-Bankengruppe gehörenden KfW Capital dar. Dabei handelt es sich um die
Säule 1 der Hilfen des Bundes für Startups und junge Wachstumsunternehmen. Die
Finanzierungshilfen unterstützen Venture Capital (VC)-fondsfinanzierte Startups und junge
Wachstumsunternehmen, die während der Corona-Krise Finanzierungsbedarf und einen starken
Deutschlandbezug aufweisen. Voraussetzung ist zudem, dass die Startups und jungen
Wachstumsunternehmen bis zum 31.12.2019 keine finanziellen Schwierigkeiten hatten.
Private VC-Investoren müssen dazu bei der KfW Capital einen Antrag stellen und akkreditiert werden.
Es besteht dann die Möglichkeit, den Investitionsbetrag der Privatinvestoren durch die öffentlichen Gelder zu verdoppeln. D.h. Finanzierungsrunden bis 31.12.2020 werden durch Bundesmittel über die
KfW Capital oder den Europäischen Investitionsfonds (EIF) „gespiegelt“. Bei den Startups muss es sich
um „junge“ innovative Unternehmen mit einem zukunftsfähigen Geschäftsmodell handeln, die
aufgrund von Corona in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind.

Finanzielle Sofort- und Überbrückungshilfe


Natürlich muss auch Geld zur Verfügung stehen, welches die laufenden Betriebskosten, wie Mieten,
Kredite, Leasingraten, etc. abdeckt. Aus diesem Grund gewährt der Bund nicht zurückzuzahlende
finanzielle Hilfen. Das Nachfolgeprogramm der staatlichen „Soforthilfe“ stellt die sog.
„Überbrückungshilfe“ dar. Die Überbrückungshilfe ist für kleine und mittelständische Unternehmen,
kurz KMU, gedacht. Nach der Definition der EU-Kommission sind Unternehmen mit bis zu 249
Mitarbeitern und maximal 50 Millionen Euro Umsatz beziehungsweise einer Bilanzsumme von 43
Millionen Euro antragsberechtigt – und dementsprechend auch die meisten Startups. Das Geld
können kleine und mittelständische Unternehmen beantragen, die im April und Mai 2020
zusammengenommen einen Umsatzeinbruch um mindestens 60 Prozent gegenüber den
entsprechenden Vorjahresmonaten erlitten haben und die auch in der Zeit von Juni bis August mehr
als 40 Prozent Umsatzminus gegenüber 2019 zu verzeichnen haben. Für Startups, die erst nach April
2019 gegründet wurden, zählen die Monate November und Dezember des vergangenen Jahres –
noch jüngere Startups haben nach Einschätzung des bekannten Steuerexperten Sick leider keine
Chance auf das neue Zuschussprogramm. Antragsberechtigte Unternehmen können für die drei
Monate von Juni bis August 2020 maximal 150.000 Euro erhalten. Die Zahlungen erfolgen aber
gestaffelt und abhängig vom Umsatzrückgang.

Kreditfinanzierungen


Um zusätzliche Liquidität zu generieren, sollte zudem versucht werden zusätzliche Kredite bzw.
Kreditlinien zu beantragen. Da es jedoch vor allem in Krisenzeiten noch größere Herausforderungen
bei der Einschätzung von Risiken gibt als sonst und sich oft die Haftungsfrage im Fall der Fälle stellt,
kamen zahlreiche neue staatliche Hilfsprogramme auf den Markt, wonach der Bund direkt oder
indirekt einspringt, sollte das Darlehen an die Hausbank nicht zurückbezahlt werden können. Ob ein
Startup die Antragsvoraussetzungen erfüllt und welches der Programme am geeignetsten ist, sollte
im konkreten Einzelfall individuell geprüft werden.
Es sind verschiedene Nachbesserungen bei bestehenden und die Einrichtung neuer Kreditprogramme
mit Vorzugskonditionen vorgesehen, bei denen die KfW – auch gemeinsam mit anderen
Kreditinstitutionen zusammen – neue Kredite bereitstellt bzw. eine Kreditvergabe für die
Hausbanken attraktiver macht.
Doch auch hier wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Es gibt Begrenzungen bei der Höhe der
Kredite. Im Wesentlichen ist die Darlehenssumme in der Höhe begrenzt durch entweder das
Doppelte der jährlichen Lohnsumme für 2019 oder 25% des Jahresumsatzes 2019 oder den
spezifischen Liquiditätsbedarf des begünstigten Unternehmens für die nächsten 12 bzw. 18 Monate.
Entsprechende Kredite müssen weiter über die Hausbank beantragt werden. Problematisch für viele
Startups dürfte sein, dass eine weitere Voraussetzung ist, dass der Antragssteller seit drei Jahren
existiert und mindestens über eine Unternehmenshistorie mit aussagefähigen
Jahresabschlussunterlagen von zwei Geschäftsjahren verfügt.

Auch an der Steuerschraube wurde kräftig gedreht


Die Finanzverwaltung hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um zu einer finanziellen Entlastung
der Unternehmen beizutragen. Betroffene Unternehmen können steuerliche Stundungen, vor allem
für die Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer, beantragen. Dies sorgt für kurzfristige
Entlastung, da Liquidität im Unternehmen gehalten werden kann. Zusätzlich wurde die Anpassung
der Vorauszahlung verschiedener Steuern maßgeblich vereinfacht. Dies geht soweit, dass sogar
bereits zu viel geleistete Zahlungen rückerstattet werden können. Ebenfalls zu eruieren ist zudem die
Inanspruchnahme von Kurzarbeit sowie sonstige Kostensenkungsmöglichkeiten. Auch hier gilt es, mit
einem Steuerexperten an der Seite alle geeigneten Möglichkeiten vollends zu erkunden und
auszuschöpfen.
Zuletzt sind die Finanzämter angewiesen bis Ende 2020 auf die Vollstreckung von überfälligen
Steuerschulden zu verzichten und durch die Krise entstandene Zinsen oder zinsähnliche Instrumente
(z.B. Säumniszuschläge, Stundungszinsen) zu erlassen. Weitere Stundungsmöglichkeiten bei extrem
angespannter Liquidität (z.B. Lohnsteuer oder Sozialversicherungsbeiträge) sind im Einzelfall zu
prüfen.

Fazit von Elisa Lutz und Tobias Sick


Es gibt also eine breite Palette an staatlichen Unterstützungen, Stundungsmöglichkeiten, Zuschüssen
und Finanzierungsprogrammen. Je intensiver und nachhaltiger sich die Krise entpuppt, desto
kreativer werden auch die Finanzierungsformen. Derzeit werden von Startups neben direkten
Kapitalbeteiligungen verstärkt partiarische Darlehen, Genussrechte oder auch stille Beteiligungen
nachgefragt. Diese ermöglichen es Investoren am eigenen unternehmerischen Erfolg teilhaben zu
lassen und gleichzeitig das Startup mit Liquidität zu versorgen. Wichtig bei der Beteiligung von
Investoren sind für das Gründerteam natürlich immer die Konditionen der Kapitalüberlassung – d.h.
welche Bewertung hierfür zu Grunde gelegt wird bzw. welche Verzinsung hierfür zu bezahlen ist. Die
Gefahr während der Krise neue Investoren gewinnen zu müssen besteht darin, dass aufgrund einer
niedrigeren Unternehmensbewertung bzw. des höheren Risikos mehr Anteile „abgegeben“ werden
müssen, als dies vielleicht vom Gründerteam gewollt ist. Wird nicht Eigen-, sondern Fremdkapital
aufgenommen, erfolgt aufgrund der Zins- und Rückzahlungsverpflichtung eine Beschränkung der
künftigen finanziellen Spielräume – die optimale Finanzierungsform auszuloten, gilt es zusammen mit
dem steuerlichen Berater zu überlegen und anschließend zeitnah umzusetzen um zu keinem
Zeitpunkt in Liquiditätsengpässe zu gelangen.

Autoren:


Steuerberaterin Elisa Lutz ist Steuerexpertin für innovative Branchen wie eCommerce, Blockchain,
Kryptowährungen, SaaS und IT-Mandate aller Art sowohl im nationalen als auch im internationalen
Kontext und Partnerin der mittelständischen Kanzlei HWS mit Hauptsitz in Stuttgart.


„Startup-Steuermann“ Tobias Sick ist bekannter Steuerexperte für ambitionierte Startups und
Wachstumsunternehmen, Steuerberater/Wirtschaftsprüfer und ebenfalls Partner bei HWS in
Stuttgart, Co-Autor des Buches „Start-up-Guide“ sowie ehrenamtlich Finanzvorstand des Startup
Stuttgart e.V.

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