Die Google Gründer Larry Page und Sergey Brin sagen immer, sie achten kaum darauf, was die Konkurrenz so macht. Doch in letzter Zeit scheint der Suchmaschinengigant immer mehr den Fußstapfen von Amazon zu folgen.
Im jüngsten Beispiel geht es um Kabelbinder, AD/DC-Adapter, Geigerzähler und Ähnliches. Im April vergangenen Jahres hatte Amazon die neue E-Commerce-Webseite AmazonSupply online gestellt, auf der solche industriellen Produkte vertrieben werden. Der Internethändler zielte damit auf Geschäfts- und Industriekunden. Google zog in diesem Januar nach und testet derzeit die Einkaufssuchseite Google Shopping für Zulieferer. Die Seite hilft den Kunden dabei, die genau für sie passenden Produkte zu finden.
Der Vorstoß in den Business-to-Business-Geschäftsbereich ist für beide Technologiekonzerne relativ neu. Im Gegensatz zu Amazon verkauft Google die Produkte allerdings nicht selbst, und der Einkaufssuchdienst beschränkt sich auf die Zulieferer bestimmter Arten von elektrischem Zubehör.
Nicht nur bei industriellen Gütern ist der Konzern aus Mountain View in Kalifornien zuletzt Amazon auf die Pelle gerückt. Allein im vergangenen Jahr hat Google mindestens drei andere Dienste ins Leben gerufen, die Amazon Konkurrenz machen, darunter Geschäfts-EDV, Express-Lieferung am gleichen Tag und das Angebot von Schließfächern, in denen Kunden ihre online bestellte Ware abholen können.
Beide Unternehmen drängen aber auch auf das Feld anderer Wettbewerber. So startete Google 2011 das soziale Netzwerk Google+, um Facebook aufs Korn zu nehmen. Google und Amazon stiegen beide in den Markt für Tablet-PCs ein und streben danach, Apples Erfolg zu kopieren.
„Wettbewerb ist großartig für uns“
Doch die Art und Weise, wie Google bei Amazon abgekupfert hat, wie oft das schon vorgekommen ist und die Breite der Branchen, in denen die beiden Unternehmen konkurrieren, ist beispiellos.
Mindestens zwei der Google-Initiativen wurden nur angestoßen, weil Amazon zuvor einen entsprechenden Vorstoß gemacht hatte, berichten mit Googles Plänen vertraute Personen.
Der Anreiz für Google könnte der Markt für den Internethandel sein, der bis 2017 um durchschnittlich neun Prozent pro Jahr anwachsen dürfte, auf 370 Milliarden US-Dollar, wie der Marktforscher Forrester Research schätzt. Von dem E-Commerce-Kuchen schneidet sich Amazon bereits ein großes Stück ab, der Konzern ist rasant gewachsen und hat seinen Umsatz im ersten Quartal um 18 Prozent auf 13,3 Milliarden Dollar gesteigert.
„Wettbewerb ist großartig für uns“, sagte ein Google-Sprecher, „und er gibt vielen Geschäften, wie Einzelhändlern, eine Vielzahl von Optionen“.
„Immer mehr Kunden nutzen Amazon. Google ist zu Recht besorgt“, sagte Alfred Lin. Der Venture-Kapitalgeber bei Sequoia Capital war Manager bei dem zu Amazon gehörenden Schuhverkäufer Zappos.com. „Diese beiden Unternehmen fechten das jetzt miteinander über eine lange Zeit hinweg in allen Bereichen aus.“
Amazon bereitet laut Kreisen auch eine große Bandbreite an Geräten vor, die, in einigen Fällen, Anleihen bei Google machen, darunter zwei Smartphones.
Compute Engine galt intern als „Verteidigung“
Amazon ist eine besondere Bedrohung für Google, weil der Konzern aus Seattle bei E-Commerce und Produktsuche die Nase vorn hat. Bei Amazon werden zwischen drei und sieben Mal so viele Produkte gehandelt als bei Google Shopping. Das geht aus Daten des Marktforschers Comscore hervor. In dem Vergleich sind nicht die Sucheingaben nach Produkten auf der Hauptsuchseite von Google enthalten, bei denen Links zu Google Shopping ganz oben auf der Seite erscheinen, wann immer eine Person nach einem Produkt sucht. Laut Google-Managern kommt der wichtigste Teil der Werbeeinnahmen, die sich im vergangenen Jahr auf über 43 Millionen Dollar beliefen, vom Verkauf von Werbefläche direkt neben Produktsuchergebnissen.
Laut Page und Brin geht Google seinen eigenen Weg. Page, der CEO, sagte jüngst gar, sich auf die Konkurrenz zu konzentrieren, könne zum „Niedergang“ von Unternehmen führen, weil sie sich dann auf schrittweise Verbesserungen konzentrierten, anstatt große, riskante Wetten einzugehen, die einen hohen Gewinn versprechen.
In einer Rede klagte Page vergangene Woche über Presseberichte, die Googles Wettbewerb gegenüber anderen Unternehmen thematisierten. „Ich finde das nicht interessant“, sagte er und fügte hinzu, dass „die meisten Dinge kein Nullsummenspiel“ seien. Mit anderen Worten, viele Wettbewerber können sich in jedem Bereich gut schlagen. „Es gibt viele Möglichkeiten da draußen“.
Im vergangenen Juni hatte Google die Verfolgungsjagd auf Amazon noch einmal gesteigert und die Cloudplattform Compute Engine vorgestellt, der direkt mit Amazon Web Services konkurriert.
Der Amazon-Dienst, der Unternehmen Speicherkapazitäten und Zahlenverarbeitung anbietet, war 2006 gestartet und ist inzwischen laut Schätzungen ein rund 2-Milliarden-Dollar-Geschäft. Zu den Kunden von Amazon Web Services gehören auch Netflix und Pinterest.
Bei Google galt Compute Engine intern als Schritt zur „Verteidigung“ gegen Amazon Web Services, wie eine mit den Überlegungen vertraute Person sagt.
Im vergangenen November kaufte Google dann BufferBox, einen kanadischen Anbieter von Schließfächern, in denen Kunden sich ihre online gekauften Waren zustellen lassen können, wenn sie nicht zu Hause sind. Im vergangenen Monat ließ Google in San Francisco die erste BufferBox in den USA installieren. Amazon hat ähnliche Schließfächer bereits seit 2011 in Einkaufszentren und anderen Geschäften unter anderem in Seattle, New York und San Francisco im Einsatz.
Nachdem Google im Januar die Einkaufsseite für Zulieferer anschob, enthüllte der Konzern im März einen Expressdienst, die die bestellten Waren noch am gleichen Tag zustellt.
Wie mit dem Projekt vertraute Personen sagten, war dieser Schritt zum Teil auch von Amazons Erfolg bei der Expresslieferung am gleichen und am Folgetag motiviert. Der Amazon-Dienst steht in einigen Städten schon seit vier Jahren zur Verfügung. Bei Google dauert die Vorbereitung des Projektes zwei Jahre.
John Sheehan, der 31-jährige Gründer eines Software-Start-ups in San Francicso erklärt, er werde Google Shopping für 10 bis 20 Prozent seiner Einkäufe nutzen, die er sonst bei Amazon getätigt habe, denn Amazon biete in seiner Stadt nur die Lieferung am Folgetag an.
„Wenn die Preise der Dienste vergleichbar wären, aber einer würde die Lieferung noch am gleichen Tag anbieten und der andere nicht, dann würde ich jedes Mal den mit der Lieferung am gleichen Tag nehmen“, sagt er.