Wer hätte noch vor kurzem gedacht, dass sich Kryptowährungen zu einem ernstzunehmenden Investitionsmittel mausern – trotz aller Unkenrufe. Noch im März stürzte der Bitcoin-Kurs binnen weniger Stunden um sagenhafte 17 Prozent ein. Einziger Grund für die starke Schwankung war eine Ankündigung der amerikanischen Börsenaufsicht, keine Anlageprodukte mit Bitcoin zulassen zu wollen. Kaum waren ein paar Wochen vergangen, hatte der Kurs des Bitcoin ein neues Rekordhoch erreicht von weit über 2000 US-Dollar.
Gerüchte um Erfinder Vitalik Bulentin lassen den Ether-Kurs in den Keller rutschen
Ethereum/Ether sorgte jetzt ebenfalls für einen enormen Vertrauensverlust. Nachdem vergangenen Mittwoch ein millionenschwerer Ether-Verkauf den Preis kurzzeitig in den Keller hatte sausen lassen, wurde Ether plötzlich für nur noch zehn US-Dollar-Cent gehandelt. Und dann kamen gestern noch die Gerüchte über den angeblichen Unfalltod von Vitalik Buterin hinzu, der unter anderem hinter der Kryptowährung Ethereum steckt. Erst eine Twitter-Meldung des Kryptowähung-Erfinders räumte das auf 4chan gestreute Gerücht wieder aus der Welt. Zwischenzeitlich schien es, als würde sich der Ether-Kurs fast genauso schnell wieder erholen, wie er seit letzer Woche gefallen war. Doch aktuell liegt der Preis pro Ether mit 197,50 EUR wieder unter der 200 Euro Marke.
Ether-Miterfinder Vitalik Bulentin dementiert seinen angeblichen Tod via Twitter.
Man mag sich das Szenario nicht ausmalen, wenn der Euro eine solche Volatilität verzeichnen würde. Im World Wide Web ticken die Uhren offenbar anders. Und so avancieren Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und Litecoin auch bei etablierten Investoren zum heißen Scheiß.
Das Rennen um die Kryptowährungen
2.760,89 Dollar. Mit diesem Rekordkurshoch stellte Bitcoin vor ein paar Wochen erst jede Unze Gold in den Schatten – und das Ende der Reise ist nicht in Sicht. Neben Bitcoin stehen bei Investoren auch Ethereum und Litecoin hoch im Kurs. In nur wenigen Wochen ist die Gesamtwert aller Kryptowährungen um 50 Prozent gestiegen: auf über 60 Milliarden Dollar. Damit reift das Internetgeld zu einer wahren Alternative zu klassischen Anlageformen heran – gerade im Zeitalter der Nullzins-Politik.
ICO-Funding heißt das neue Zauberwort
Simples Crowdfunding war gestern. Heute boomt Crowdinvesting via Blockchain-Technologie, also der Architektur, auf der Kryptowährungen wie Bitcoin & Co. basieren. Abgeleitet von IPO (international Public Offering), der Abkürzung für die Erstplatzierung an der Börse, steht ICO dabei für Initial Coin Offering – der Finanzierung neuer Token-basierter dezentraler Projekte und Organisationen, kurz DAO. Mitmachen kann theoretisch jeder, der über genügend IT-Expertise verfügt. Das Unfassbare dabei: Immer mehr Investoren beteiligen sich an immer mehr Projekten mit immer größeren Summen – ungeachtet des unkalkulierbaren finanziellen Risikos und fernab jeder internationalen Regulierung fürchten sie weder rechtliche Grauzonen noch Falschspieler. Tatsächlich befürworten viele Anleger die Anonymität der Kryptowährungen sogar – vorbei an Banken und jenseits staatlicher Kontrollsysteme wie Kapitalverkehrskontrollen begeistern die digitalen Zahlungssysteme besonders den asiatischen Markt. Weiterer Vorteil des hürdenlosen Tradens – so ganz ohne bremsende Kontrollinstanzen – ist natürlich das Tempo, das Anleger hier aufnehmen können. Flexibler geht es kaum.
Jüngstes Beispiel: Aragon
25 Millionen Dollar holte sich das auf Ethereum basierende Krypto-Startup in weniger als einer Viertelstunde von den Investoren ab. Ein absoluter Rekordwert, aber alles andere als eine Ausnahmeerscheinung. Allein in den letzten drei Monaten entstanden 34 Gründungen mittels Blockchain-Finanzierung und laut Branchenexperten sollen bis zum Jahreswechsel mehr als 300 weitere folgen – mit einer vorhergesagten Investitionssumme von über 600 Millionen Dollar. Eine Ende der Fahnenstange ist längst nicht in Sicht. Zum einen suchen immer mehr ängstliche US-Aktionäre neuen Anlageformen, da sie die Umsetzbarkeit der Wahlversprechen Trumps felsbrockenartig bröckeln sehen. Auf der anderen Seite wäre sogar eine mögliche Regulierung durch die seit einiger Zeit angekündigte Genehmigung eines Bitcoin Fonds und möglicher Trittbrettfahrer beflügelnd für den Markt der Kryptowährungen. Börsennotierte Produkte würden schließlich den Marktzugang erleichtern.
Coinlist: Neuer Zugang für Investoren
Finanzierungsplattformen wie AngelList und CircleUp geben Investoren Zugang zu Support-Ventures. AngelList, die bekannte US-Netzwerkplattform für Gründer und Investoren, ist gerade mit einer eigenen Token-basierten ICO-Plattform an den Start gegangen: Coinlist. Hier sollen noch mehr Investoren in noch kürzerer Zeit erreicht werden.
Wer den bislang üblichen Weg über Risikokapitalgeber meiden möchte, hat also eine krytische Alternative, denn Venture Capitalists oder Banken bleiben hier außen vor. Bis heute soll es laut der Wirtschaftsanalysten von Smith & Crown bereits circa 65 ICOs gegeben haben, die rund 550 Millionen Dollar eingebracht haben. Für die kommenden Monate prognostizieren die Experten Einnahmen von einer Milliarde Dollar durch den Verkauf von Tokens. Und ein Ende der Fahnenstange ist nicht in Sicht.