Mit dem Beginn der COVID-19-Pandemie begann ein weltweiter Mangel an Mikrochipprozessoren. So waren es in den Jahren 2020 bis 2021 nicht nur Autohersteller, die unter Lieferkettenproblemen litten. Auch Hersteller von Smartphones, Computern, Messtechnik und medizinischen Geräten waren betroffen. Das Problem: Im Frühjahr 2020 kam es im Zuge der Pandemie zu einem Nachfrageeinbruch nach Mikrochips. Aufträge wurden im großen Umfang storniert, doch plötzlich stieg die Nachfrage wieder an, konnte aber aufgrund der strengen Covid-19-Politik Chinas bis 2022 nicht mehr ausreichend bedient werden. Seitdem sind die Lieferketten unterbrochen. Mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine am 24. Februar 2022 wurden die Folgen für die Branchen weiter verschlimmert.
Stehen wir nun vor einer zweiten Krise der Mikrochipindustrie und was hat das mit Russland zu tun? Diese Fragen möchten wir im folgenden Beitrag klären.
Inhalt
o Welche Folgen hat die Chipkrise?
Wie kam die Krise zustande?
Sicher hast Du mitbekommen, dass bereits seit zwei Jahren immer wieder die Rede von Lieferengpässen für Mikrochips in der Autoindustrie ist. Es stellt sich die Frage, wie dieser Mangel entstanden ist. Schließlich waren Mikrochips vor einigen Jahren noch überall einfach und günstig zu bekommen. Inzwischen musst Du lange warten und tief in die Tasche greifen. Die Gründe hierfür sind vielfältig und beginnen einigen Experten zufolge mit der Etablierung von Kryptowährungen. Bitcoins und Co. werden durch Rechenkraft generiert, was dazu führte, dass besonders leistungsstarke Rechner benötigt werden. Insbesondere die Grafikkarten spielen hier eine wichtige Rolle und werden zum „Minen“ zu „Farmen“ zusammengeschlossen. Beim „Minen“ werden Transaktionen und Synchronisierungen auf speziellen Servern durchgeführt. Die Server sind über Netzwerke miteinander verbunden. Da dieser Prozess eine hohe Rechenleistung erfordert, gab es bereits vor der Pandemie Engpässe an Grafikkarten und Mikrochips. Diese Problematik dauert bisher am längsten an und hinzukamen noch weitere Faktoren, die die Knappheit begünstigen.
US-Sanktionen gegen China: Weiter angeheizt wurde die Mikrochipkrise während der Amtszeit von Donald Trump. Seine Bemühungen, die USA unabhängiger von China zu machen, indem er Sanktionen erließ, führten zu einer weiteren Verknappung. Denn die Handelsverbote richteten sich hauptsächlich auf Mikrotechnik. Das führte dazu, dass viele der noch verfügbaren Chips und Herstellungssysteme von chinesischen Firmen gekauft wurden, bevor die Sanktionen griffen. So zeichnete sich bereits 2019 ein Mangel am Markt ab. Anfang 2020 kam es dann zu noch weiteren Engpässen. Bis dahin waren von der Krise hauptsächlich Gamer*innen betroffen.
Die Corona-Pandemie und andere Katastrophen: Die bereits angeschlagene Branche sah sich dann Anfang 2020 dem Coronavirus gestellt und es kam zunächst zu einer Kettenreaktion.
1. Panik,
2. Schließungen,
3. stornierte Aufträge,
4. unterbrochene Lieferketten,
5. herunterfahren der Produktion.
Das Problem hierbei offenbarte sich im März 2020, als weltweit Lockdowns verordnet wurden und viele Menschen ins Homeoffice mussten. Es kam zur gesteigerten Nachfrage nach Spielekonsolen, Streaming-Sticks und allem, was an Hardware für die Arbeit von zu Hause notwendig ist. Im Sommer 2020 folgte dann ein weiterer Nachfrageanstieg nach Autos. Das Problem: Viele Hersteller stornierten ihre Aufträge nach Mikrochips und so gingen die verfügbaren Halbleiter an andere Elektronikhersteller.
Hinzu kamen:
Februar 2021: Produktionsstopp einer großen Halbleiterfabrik in den USA. Der Grund war ein Stromausfall wegen Kälte und starken Schneestürmen, der die Fertigung für einige Zeit lahmlegte.
März 2021: Ein Großbrand in einem japanischen Werk für Mikrochips strapazierte die Autoindustrie weiter.
Diese Ereignisse sowie die andauernde Pandemie führten dazu, dass die Mikrochipkrise weiter verschärft wurde. Mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine wurde die weltweite Mangellage um einen weiteren Faktor gesteigert.
Die Edelgas-Krise
Mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 kam es überall auf der Welt zu wirtschaftlichen Problemen. Auch die Mikrochipindustrie wurde ein weiteres Mal in Mitleidenschaft gezogen. Die Ukraine ist einer der Hauptproduzenten für das Edelgas Neon. Die Werke in Odessa und Mauripol lieferten bis zu 70 % des weltweiten Neonbedarfs. Jedoch sind beide Städte stark umkämpft, daher haben die Werke mit Beginn des Krieges ihre Produktionen gestoppt. Doch das Gas ist für die Mikrochip-Produktion unerlässlich.
Bei der Herstellung von Halbleitern werden Laser genutzt, die mit einem speziellen Gasgemisch arbeiten, das zu 95 % aus Neon besteht. Um es in der Mikrochipindustrie verwenden zu können, braucht das Gas eine Reinheit von fast 100 %. Dazu muss es kostenintensiv und energieaufwendig gereinigt werden. Bereits seit der Annexion der Krim und der Besetzung des Donbass ist die Lage in der Halbleiterbranche angespannt. Es herrschen Unsicherheiten am Markt, woraufhin die Preise in die Höhe steigen. Die aktuelle Lage in der Ukraine macht die Situation nicht besser. Zwar geben die Mikrochiphersteller an, dass noch genügend Neon für die nächsten sechs Monate auf Lager sei, allerdings ist nicht abzusehen, dass sich die Lage in der nächsten Zeit entspannt.
Welche Folgen hat die Chipkrise?
Der Mangel an Mikrochips wirkt sich nicht nur auf die Automobilbranche aus. Auch andere Unternehmen und deren Mitarbeiter*innen sind betroffen.
· Smartphone-Hersteller: Apple, Samsung, Huawei und andere Hersteller verzeichnen Umsatzeinbußen, denn aufgrund fehlender Mikrochips konnten nicht so viele Smartphones verkauft werden wie geplant.
· Spielekonsolen: In Corona-Zeiten stark nachgefragt, aber nur schwer zu bekommen, sind die Gaming-Konsolen verschiedener Hersteller. Auch sie benötigen die Mangelware zur Herstellung ihrer Produkte. Seit Monaten sind einige Modelle nur sehr schwer zu bekommen.
· Autoindustrie: In diesem Bereich mussten Mitarbeiter*innen zeitweise immer wieder in die Kurzarbeit geschickt werden, da die Produktion in dieser Branche regelmäßig zum Stocken kam.
Inzwischen ist insbesondere die Fahrzeugindustrie betroffen, denn viele Autos und vor allem Elektroautos können aufgrund der fehlenden Halbleiter nicht produziert werden. Zwar gibt es eine große Nachfrage nach Autos – der Mangel an Mikrochips führt jedoch dazu, dass es nur ein geringes Angebot gibt. Verbaut in Fahrzeugen, garantieren die Chips in Steuergeräten ein optimales Fahrverhalten. In Elektroautos sorgen die Halbleiter zudem für die Regulation des komplexen Batteriesystems und sind damit unerlässlich für die Herstellung neuer Fahrzeuge. So verzeichnen Autohersteller deutliche Einbußen in den Verkaufszahlen. Aufgrund der fehlenden Halbleiter müssen Produktionen immer wieder heruntergefahren werden. Für die Beschäftigten von VW, Daimler und BMW hat der Chipmangel Kurzarbeit zur Folge. Um auf die Mangellage zu reagieren, produzieren einige Hersteller auf Vorrat und parken die Autos, bis die notwendigen Chips da sind. Daimler-Kund*innen haben die Möglichkeit, ihr Fahrzeug mit reduzierter Ausstattung zu einem günstigeren Preis zu bekommen.
Fazit
Die Chipkrise ist allgegenwärtig und zahlreiche Branchen sind von ihr betroffen. Eine Verkettung vieler Umstände führte uns zum jetzigen Punkt der Krise und hält viele Unternehmen in Alarmbereitschaft. Russlands Rolle dieser Problematik ist eher eine indirekte. Denn durch den Angriffskrieg auf die Ukraine fehlt es in vielen Fabriken an dem wichtigen Edelgas Neon. Durch die vorherigen Probleme, die aufgrund der Corona-Pandemie und anderen Umständen entstanden sind, hat sich die Krise immer weiter verschärft. Eine klare Linie kann zwischen den einzelnen Stationen nicht gezogen werden. Angefangen im Jahr 2019, hat die Krise mehrere Stadien durchlaufen und ist immer drastischer geworden. Experten rechnen damit, dass die Mangellage in der Branche noch bis 2024 anhalten wird, bevor Besserung in Sicht ist. Mit Blick auf die aktuellen Geschehnisse zwischen China und Taiwan könnte sich die Krise jedoch noch weiter aufheizen. Ein Krieg in Taiwan könnte auch dort zu einem Produktionsstopp führen. Derzeit stammen in etwa 60 % der weltweit verbauten Mikrochips aus Taiwan.
Die Wege aus der Krise sind schwierig, denn um neue Fabriken für Mikrochips zu errichten, benötigt es hohe Investitionen und spezialisiertes Personal. Hinzukommt, dass der Mangel an Neon jede weitere Produktion hemmt. Das Gas ist unerlässlich für die Herstellung der Halbleiter und somit würden auch neue Fabriken nicht im vollen Umfang produzieren können. Daher gilt es, das vorhandene Neon sparsam einzusetzen. Wann genau genügend Nachschub vorhanden sein wird, ist nur schwer abzusehen. Die Folgen sind auch für den Endverbraucher in vielen Bereichen deutlich spürbar. Kurzarbeit, lange Wartezeiten auf Autos, Konsolen und medizinischen Geräten sind nur einige Beispiele, die verdeutlichen, wie dringend Mikrochips benötigt werden.
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