Maxim Nohroudi, Founder und Managing-Director bei der On-Demand-Mobilitätsplattform door2door, ist ein Feingeist unter den oft betont hemdsärmeligen Berliner Gründern. Schicke Adresse in Mitte, keine Kreuzberger Berufsjugendlichkeit. Blaues Hemd, herzliche Begrüßung, offenes Lachen über meine Rechtschreibfehler in der Interview-Anfrage. Wir setzen uns in die Sofa-Ecke des Großraumbüros, dänisches Design auf Perser-Teppich. Der selbsternannte Revolutionär der Mobilitäts-Industrie streift die Leder-Slipper von den Füßen, lässt einen Kaffee bringen und macht es sich gemütlich. Keine Antastphase, er ist gleich mittendrin, spricht über Strategien des Naiven, Rachmaninows dritte Symphonie und eben Autos. Was treibt jemanden an, der den privaten PKW abschaffen will? Wie verkauft man eine Revolution? Und was hat ein isländischer Vulkan damit zu tun?

Gruenderfreunde:  Fährst du Auto?

Maxim Nohroudi:   Ich habe ein Auto, ja. Ich arbeite quasi an der Abschaffung meines eigenen PKW. Und das finde ich eigentlich ganz toll.

Er lacht. Der Gedanke an die Abschaffung des PKW macht ihm offensichtlich große Freude.

Gruenderfreunde:  Die Frage hörst du oft?

Maxim Nohroudi:  Ja klar, das ist auch eine Frage der Authentizität. Und es ist ja so: Der ÖPNV ist noch nicht so komfortabel wie dein eigener PKW. Das wird jeder bestätigen, der eine eigene Familie hat und auf dem Land lebt. Und hier in der Stadt muss es ja auch einen Grund geben, warum die Menschen Auto fahren. Ich glaube nicht, dass es nur die Freude am Fahren ist. Du stehst im Stau, du musst einen Parkplatz finden, das macht ja wirklich keinen Spaß.

Gruenderfreunde:  Ich bin mit der U-Bahn zu unserem Gespräch gekommen – Sorgt ihr dafür, dass sie in zehn Jahren nicht mehr fährt?

Maxim Nohroudi:  Nein. Es müssen einfach viele Leute vom Rosenthaler Platz rüber zum Alexanderplatz und da macht es völlig Sinn, dass eine U-Bahn fährt. Es gibt nichts Effizienteres als einen gut ausgelasteten Schienenverkehr. Aber wenn du dir anschaust, was los ist, wenn du am Rosenthaler Platz aussteigst: die ganzen Autos, die im Zweifel von Einzelnen fortbewegt werden und wie viele Fahrzeuge eigentlich diese Stadt übersäen und damit auch Raum nehmen. Wir können uns eine Realität ohne Autos nicht vorstellen. Aber es ziehen immer mehr Leute in die Städte und wir haben nur begrenzten Platz. Das heißt, wir müssen Mobilitäts-Lösungen finden, die es uns erlauben, neuen Platz in der Stadt zu gewinnen und Emission zu reduzieren. Du wirst also weiterhin in der U-Bahn sitzen, aber wenn du aus der U-Bahn aussteigst wird es völlig neue Formen der Mobilität geben, in die du übergeführt wirst.

Gruenderfreunde:  Wie kamst du auf die Idee, dich ausgerechnet mit der Automobil-Branche anzulegen?

Maxim Nohroudi:  Tom, mein Mitgründer, und ich, wir hatten eigentlich beide gute Jobs. Es war nicht so, dass wir morgens aufstanden und nicht wussten, was wir machen sollen. Aber 2010, als diese Asche-Wolke über Europa hing, saßen wir zusammen am Flughafen und haben beobachtet, wie die Leute durchgedreht sind, als ein Mobilitäts-Produkt wegfiel. Wir sind dann darüber ins Gespräch gekommen, wie wir glauben, dass sich die Zukunft der Mobilität entwickelt. So fingen wir an, uns mit dieser Idee auseinanderzusetzen. Wir sind naiv rangegangen und haben gesagt: Das könnte doch besser funktionieren.

Er lehnt sich kurz zurück, lacht über seine eigene Chuzpe und wird wieder ernst.

Ich glaube, dass es eine erfolgreiche Grundkonstellation ist, dass du mit einer gewissen Naivität an etwas herangehst – weil du sonst nicht herangehen würdest.

Gruenderfreunde:  Wenn man naiv an etwas herangeht, steigt die Gefahr, sich Verletzungen einzufangen.

Maxim Nohroudi:  Ich muss gestehen, es gab durchaus ein, zwei Momente, wo ich wirklich Tränen in den Augen hatte, weil es nicht funktioniert hat. Tom und ich, wir hatten beide vorher eine Karriere. Und mehr oder minder hat alles, was wir gemacht haben, funktioniert. Dann fängst du an zu gründen und gar nichts funktioniert. Du kriegst den ganzen Tag die Eisenstange ins Gesicht. Das ist schon hart.

Gruenderfreunde:  Welche Fehler habt ihr konkret gemacht?

Maxim Nohroudi:  Wir haben zum Beispiel einen leitenden Entwickler eingestellt, der ein super Informatiker ist, aber das Delegieren war jetzt nicht so in ihm drin. Dann gab es Strategien, wo wir gesagt haben: Wir gehen mehr B2C, also auf den Konsumenten. Da mussten wir lernen: Der ist nicht bereit, dafür zu zahlen. Aber für die Stadt ist das ein viel größerer Mehrwert. Wir mussten das Modell ändern. Also, wenn etwas nicht funktioniert, kann ich natürlich sagen: Mein Kunde hat es nicht kapiert. Aber als Gründer musst du in den Spiegel gucken und fragen: Was habe ich falsch gemacht? Man braucht einen leichten Narziss, um zu gründen – und es ist immer wieder eine Verletzung dahinter. Du musst bereit sein, dich selbst zu verletzen.

Gruenderfreunde:  Ihr verlangt aber auch euren Kunden viel Bereitschaft ab, umzudenken. Wie verkauft ihr die Revolution der Mobilität?

Maxim Nohroudi:  Bei uns gibt es keinen Vertrieb, keinen Sales, sondern bei uns heißt das Business-Partnerships. Wenn ich sage, das ist eine Partnerschaft, dann denke ich in einer Partnerschaft. Wenn ich denke, es ist Sales, dann will ich etwas verkaufen. Das ist nur einer von vielen einzelnen Punkten, an denen sich offenbart, ob du mit so einem Player wie einer Kommune zusammenarbeiten kannst oder nicht. Du musst keinem Bürgermeister erklären, wie die Welt funktionieren müsste. Du musst anerkennen, dass der vor Ort eine Lage hat, die du erst mal verstehen musst – dann kannst du ihm etwas skizzieren und sagen: „Ich glaube, dass wir dir helfen können, den nächsten Schritt zu gehen.“ Das ist eine ganz andere Gesprächsgrundlage. Der Kern unseres Ansatzes ist, dass man sein Gegenüber ernst nehmen muss.

Er stellt seine Kaffee-Tasse ab. Hinter ihm ein Bild. Es zeigt die Bundeskanzlerin, umringt von der door2door-Belegschaft. Jemand hat es lässig auf einem Hocker platziert, damit es nicht ganz so staatstragend wirkt.

Gruenderfreunde:  Wie politisch ist euer Ansatz?

Maxim Nohroudi:  Er ist hochpolitisch. Am Ende steht die Frage: Welche Rolle hat die Stadt? Zum Beispiel New York City: Die wollen in der Mobilitäts-Frage keine Rolle einnehmen. Und was passiert? Uber integriert eben nicht die U und S-Bahn. Warum? Weil sie dich die ganze Strecke fahren wollen, das ist für sie ökonomischer. Aber für die Stadt ist es nicht effizient. Das haben andere Städte erkannt: Sie müssen die Ampel der Zukunft, also die Plattform, selbst betreiben. Sie können nicht dem Autofahrer, oder dem Autohersteller zugestehen, dass er einerseits die Autos baut, als auch das Ampelsystem steuert. Weil dann ist ja offensichtlich, für wen die Ampel als erstes auf grün springen wird. Hinter unserem Ansatz steht die Frage: Zahlt der Bürger die Kohle an einen ökonomisch denkenden Player in San Francisco, Wolfsburg oder München, der dann entscheidet, was damit passiert? Oder geht das Geld in die Stadt, in der ich lebe?

 Politik, Feminismus in der Startup-Szene, Autos, Autos, Autos, Verantwortung als Gründer –es geht munter von Thema zu Thema. Bald sprengt unser Gespräch die vorher verabredeten zwanzig Minuten. Dann zieht Maxim Nohroudi seine Schuhe wieder an, geleitet mich zur Tür und reicht mir die Hand. Vor dem door2door-Büro muss ich zehn Minuten auf ein freies DriveNow warten, stehe dann achtzehneinhalb Minuten im Stau und muss eine Viertelstunde nach einem Parkplatz vor meiner Wohnung suchen. Vielleicht also ist Maxim Nohroudi bald ein sehr erfolgreicher Mann.

 

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