Mode in Berlin ist so vielfältig wie die Stadt selbst – inklusive der vielen kleinen sehr innovativen Labels wie z.B. Esther Perbandt, Damur, Marcel Ostertag und vielen mehr. Neben den großen E-Commerce Akteuren wie Zalando und Co. finden sich über 3.000 Unternehmen in allen Facetten an der Spree, die am Puls der Zeit ihre Designs umsetzen. Nicht nur der Einfluss von Kreativität spielt dabei eine herausragende Rolle, sondern zunehmend auch der Tech-Spirit der Stadt und das Thema Nachhaltigkeit. So bündelt unter anderem das “Wear It Innovation Summit“ alles zur elektronischen Vereinbarkeit mit Textilien. Also, egal ob du ein:e Fashionista bist oder du einfach erfahren willst, welche Rolle Sustainable Fashion heute schon in der deutschen Hauptstadt spielt und wie sich das Fashion Hub Berlin in Zukunft entwickeln wird, dann solltest du hier unbedingt weiterlesen. 

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Grüne Mode in Berlin – Diese Labels treiben Nachhaltigkeit nach vorne

Bereits seit 2015 sitzt die hessnatur Stiftung in Berlin und berät Unternehmen der gesamten textilen Wertschöpfungskette auf dem Weg zu einer ökologisch weniger schädlichen Wirtschaftsweise. Grass-roots-Bewegungen wie future fashion forward, Fashion Revolution Germany und Ansätze wie Cradle to Cradle spinnen den Gedanken auch in Richtung sozial-verträgliche Produktion weiter. Die Berliner NGO circular Berlin sieht in der Textilwirtschaft Berlins eine der vier Industriezweige, bei denen sich eine Transformation hin zur lückenlosen Wiederverwertung von Rohstoffen anbietet.

Auch die Sharing Ökonomie ist fest in der Fashionlandschaft Berlin verankert, so hat Zalando mit der Eröffnung des „Preowned“-Kanals die Möglichkeit geschaffen dort eingekaufte Ware einzutauschen und über eine Gutschrift einen Teilbetrag erstattet zu bekommen. Über Zalando Zircle können die eingetauschten Teile von anderen Kunden online geshoppt werden. Die Verkaufsplattformen Vintage und Momox sind ebenfalls in Berlin ansässig. P-O-O-L bietet die Möglichkeit über ein Abonnement monatlich so viele Stücke aus dem Markenkatalog zu tragen wie gewünscht. Nach dem Aussuchen werden die Pakete am selben Tag per E-Scooter geliefert und bei Rücksendung gereinigt, mit einer Versicherung inklusive. Viele Berliner Modelabels haben sich mittlerweile unterschiedlichen Standards verschrieben und bringen diese neue Art, sich mit Mode auseinanderzusetzen, in ihre Kollektionen und Fertigungsprozesse mit ein. Einen Überblick über viele nachhaltige Labels, Initiativen, Shops und Veranstaltungen bietet die Bestandsaufnahme „Sustainable Fashion x Design in Berlin“. So bezeichnet die Designerin Natascha von Hirschhausen ihre Modelinie als „radically mindful premium fashion“ für eine Zukunft ohne Abfall. Die Schnitte der Modedesignerin sind zum Beispiel so konzipiert, dass als Rest, dem sogenannten Verschnitt, nur Stoff für einen Ohrring übrig bleibt. Mit diesem Anspruch hat sie sich den Bundespreis Ökodesign im Jahr 2017 gesichert.

Eco-Mode aus Berlin – Eine Kreislaufwirtschaft ohne Müll

2020 wurde der Bundespreis Ecodesign an den Designer Tim van der Loo vergeben. Dieser verfolgt mit seinem Projekt „New Blue“ einen weiteren radikalen Ansatz und zeigt, dass gebrauchte Jeans, mittels neuer Technologie zu Vlies verarbeitet und als Grundmaterial wieder in den Entstehungsprozess von Kleidung eingebunden werden kann. Ein weiterer Schritt von der Wiederverwendung zur Kreislaufwirtschaft.

Textile Reststoffe sind auch die Grundlage für neue Produkte des Startups Kleiderly. Gründerin Alina Bassi hat wie Tim van der Loon Kleidung in ihre Fasern zerlegt, um daraus Neues zu schaffen. Als Chemical Engineer war es Alina Bassi ein Dorn im Auge, dass Kunststoff in der Textilindustrie breit verwendet wurde und so war der erste Schritt ein Kleiderbügel aus recycelten Materialien. Den Ansatz zirkuläres Wirtschaften in die klassische Modebranche zu integrieren, möchte unter anderem auch das Label besonnen fashion, welches sich auf nachhaltige Yoga-Kleidung spezialisiert hat. 2021 startete das Label eine Crowdfunding Kampagne für die ersten vollständig in den Kreislauf zurückführbaren Yoga-Pieces. Dazu arbeiten sie zum einen mit Fasern aus wiederverwertetem Polyestergarn, die immer wieder neu zerlegt und aufbereitet werden können. Zum anderen setzt die Modemarke auf biologisch abbaubare Fasern, basierend auf Zellulose und einen Rücknahme-Service für gebrauchte Teile der besonnen-Kollektion.

Green with a twist – when tech comes in

Um ihren Ansatz konsequent umzusetzen, konnte Designerin Annett Borg u.a. auf das Know-how von Circular.Fashion, mit Gründerin Inna Budde, zugreifen. Seit 2018 setzt sich das Team dafür ein, Wege aus der Fast Fashion aufzuzeigen. Es bietet Modeschaffenden ein Circular Design Kit an, mit dem Schritt für Schritt Ressourcen gehoben und Prozesse neu gedacht werden können. Über einen selbst entwickelten Datenstandard können Modemarken ihre Daten in einem Format veröffentlichen, das über Softwareanwendungen entlang des gesamten Lebenszyklus des Produkts genutzt werden kann.

Die Wertschöpfungskette wird damit transparenter, eine Wiederverwertung oder Alternativen zu bisher genutzten Rohstoffen gerät in den Fokus. Bereits 2019 wurde ein vollständig wiederverwertbares T-Shirt entwickelt, dessen Rohstoffe sich zu 100 % nachverfolgen ließen. Circular.Fashion zeigt, dass auch Arbeitskleidung zirkulär gedacht werden kann und Capsule Kollektionen ein weiterer Ansatz sind, die eigene Garderobe ohne Einbußen von Style zu organisieren. Einen anderen Ansatz Mode neu zu denken, zeigt das Berliner Startup Zyse.me. Durch einen Fragebogen geben die Konsumenten der Zyser AI genug Daten an, um die passenden Artikel auszuwählen und auch beim Online-Shopping die genaue Größe zu treffen. So sollen Rücksendungen minimiert, Produktion auf Nachfrage angeschoben und die Kundenzufriedenheit maximiert werden. Seit 2019 arbeitet das Startup u.a. mit der Modekette H&M zusammen.

KI-basierte Lösungen und VR – die Lösung der Zukunft der Modebranche?

Berliner Startups und Labels setzen nicht nur bei klassischen Konsumenten an. Einige Gründer:innen haben es sich zur Aufgabe gemacht digitale Anwendungen für den B2B-Bereich zu entwickeln.

Die Sourcing-Plattform Squetch ist nicht nur Dienstleister für Labels auf der Suche nach den richtigen Partnern für den Einkauf von Materialien, sondern seit 2021 auch Mitglied des europäischen Herewear Konsortiums. Dieses setzt sich auf EU-Ebene für lokal produzierte zirkuläre Textilien und Kleidungsstücke ein, die aus Bio-Materialien produziert werden. Neben der Community-Plattform, eines Matchmakings zwischen Labeln und Produzenten, wird auch ein Tool zum Steuern der Fertigung entwickelt und umgesetzt.

Die Agentur hinter der Plattform unterstützte außerdem Berliner Designer auf ihrem Weg zur digitalen Transformation beim “Digital Fashion Future Readiness Programm” des Fashion Council Germany. Neben dem Beneficial Design Institut und Studio MM04 ist Squetch außerdem einer der Organisator:innen des “202030 – The Berlin Fashion Summit” anlässlich der Berlin Fashion Week im Januar 2021.

Designer aus Berlin - Catwalk

Künstliche Intelligenz in der Modebranche ist vor allem bei Logistik und Empfehlungen beim Onlineshopping Standard. Anna Franziska Michel von yoona.ai will mit ihrem digitalen Tool Modedesignern in der ersten Phase der Erstellung einer Kollektion unterstützen. Dazu werden Visuals und Textdaten der Moodboards zu Designvorschlägen verarbeitet und mittels 3D und VR dem Designer angezeigt. Die üblichen Prototypen werden überflüssig, Ressourcen werden effizienter genutzt und eine Überproduktion durch ein Design nach den Bedürfnissen der Kunden verringert.

Virtual Reality steht auch bei Trend Tech Trade im Fokus. Durch digitale Kampagnen werden Einkäufer global und in Echtzeit angesprochen und Kollektionen können jederzeit virtuell präsentiert werden. Das Team erstellt dafür virtuelle Showrooms, entweder für professionelle Einkäufer oder als Add-Ons für das Filialgeschäft einzelner Marken. Mittels künstlicher Intelligenz können so Rückschlüsse auf das Käuferinteresse und -verhalten bereitgestellt werden. Die eigene Plattform bietet außerdem die Möglichkeit Kampagnen zu testen. Auch die Anwendung von Blockchain für die Modebranche wird in Berlin vorangetrieben. Standards und Lösungen für physische und digitale Konsumgüter werden durch die Blockchaininfrastruktur von Lukso bereitgestellt. So sorgen universelle öffentliche Profile für eine sichere Identifizierung der Transaktionspartner, digitale Eigentumsrechte können Produkten in beiden Welten zugeschrieben werden und Tokens erreichen, dass diese Rechte handelbar, teilbar und übertragbar werden. Transparenz und die Nachverfolgung einzelner Bestandteile von Konsumgütern rücken somit in greifbare Nähe.

Behind the scenes – Labs, Hochschulen und think tanks

All dies wäre undenkbar ohne die De-Zentralität Berlins. Das Multiversum an Hochschulen, Labs, maker spaces, Agenturen und Forschungseinrichtungen bietet vielfältiges an Know-How sowohl für Tech-Gründer:innen als auch im Bereich Nachhaltigkeit.

Die Kunsthochschule Weißensee und die angegliederte Designfarm haben sich ganz Letzterem verschrieben. Wie kann Innovation durch Design vorangetrieben werden? Welche Produkte und Dienstleistungen sind umweltfreundlicher möglich als bisher? Das greenlab geht diesen Fragen nach und holt andere Hochschulprojekte hinzu. Die Designfarm ist der erste Design Tech Accelerator Berlins. Seit 2016 wird hier an Industriedesign, Modekonzepten und neuen Materialien gearbeitet. Kreislaufwirtschaft und die ressourceneffiziente Verwendung von Materialien sind seit Anfang an Thema.

An der HTW Berlin konnte Anna Franziska Michel, in dem von ihr gegründeten Lab für Mode und KI, erste Erfahrungen in der Integration Künstlicher Intelligenz als Tool für den Designprozess sammeln. Ergebnis war eine Konzeptstudie der Integration von Trainingsdaten in Sportswear. Nachhaltigkeitsmanagement und -strategien in der Mode- und Textilindustrie sind ebenfalls Teil der Ausbildung, eng verwoben mit Konzepten wie Zero Waste Design und Innovationen der textilen Lieferkette. Aber auch Europas größte Kunsthochschule UdK steht dem in nichts nach. Über die Professur „wearable Computing“ ist man mit dem Einstein Center Digital Future verbunden. Hier wird unter anderem an der Entwicklung von Designmethoden und Fertigungstechniken für elektronische Textilien und smarte Materialien, unter Anwendung von handwerklich-digitalen Fertigungstechnologien multidisziplinär geforscht. Das Design Research Lab beschäftigt sich mit Themen wie Materialinteraktionen, digitaler Souveränität und sozialem Design. Hier entstand auch die Idee für das Projekt „Make your own wearables“.

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In der neuen Kooperation „Arts meets Science“ vereinen sich das Textile Prototyping Lab (TPL) und Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM). Ersteres bietet seit der Eröffnung nicht nur Beratung und Equipment für Elektrotextilien, sondern auch die modulare Nutzung von Räumen als maker space. Hier entstehen Prototypen von E-Textilien nicht nur für die Mode-, sondern für die gesamte Designindustrie. Das Fraunhofer IZM entwickelte unter anderem einen Textilbonder, der nun in kooperativen Projekten des TPL genutzt werden kann.

Zentral gelegen ist das Haus der Materialisierung, im neu entstandenen Areal des Hauses der Statistik am Alexanderplatz, ebenfalls ein Dach für verschiedene Initiativen rund um eine nachhaltige Materialwirtschaft, zu der natürlich auch Textilien gehören. Hier werden der Kontakt zu den Konsumenten gesucht, Testprojekte ausgerollt und soziale Unternehmer involviert. Neben eines Repair-Cafés gibt es Design-Workshops für Kinder und eine Textilwerkstatt. Gleich um die Ecke in der Memhardstraße eröffnete vor kurzem das Modehaus. Diese Initiative der Bezirke Mitte und Pankow zeichnet sich ebenfalls durch einen Schwerpunkt in Nachhaltigkeit aus und will sich als bezirksübergreifende Anlaufstelle für Modeschaffende in Berlin etablieren. Hier wird es viele Angebote und Vernetzungen geben, um eine transparente, sozial gerechte und ökologisch sinnvolle, nachhaltige Produktion entlang des gesamten Wertschöpfungskreislaufs zu unterstützen.

Berlin Fashion Week Reboot

Man darf also mehr als gespannt sein, wohin sich der Fashion Hub Berlin* entwickeln wird. Es lohnt sich allemal einen Blick auf die nächste Berlin Fashion Week vom 06. – 12. September 2021 virtuell oder vor Ort einen Blick zu werfen. Die Homepage der Fashion Week bietet einen umfassenden Überblick über alle Events und darüber hinaus Updates zu den Aktivitäten der Berliner Labels und Hintergrundinfos wie einen Youtube-Vlog zu Themen wie Wasser für die Textilindustrie sowie Zero Waste und Produktion auf Nachfrage. Die Unterseiten Fashion & Technology sowie Sustainable Fashion tauchen tief ins Berliner Ökosystem ein.

*Dieser Artikel erhebt keineswegs den Anspruch alle Berliner Akteure vollständig widerspiegeln zu wollen, sondern bildet lediglich einen kleinen Ausschnitt der innovativen Label-Landschaft ab.

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