Eine Gruppe junger Medienmacher gründet das transform Magazin. Für die Produktion der Printausgabe sammelt das Team Geld via Crowdfunding. Im Interview erklärt Marius Hasenheit, warum ein Magazin für das „Gute Leben“ auf dem Zeitschriftenmarkt nicht fehlen darf.
Warum habt ihr euch entschlossen, ein eigenes Magazin zu gründen?
Wir werden einerseits die ganze Zeit mit Horrormeldungen und schlechten Nachrichten bombadiert. Auf der anderen Seite gibt es Magazinformate, die aus dieser Welt in Schönfärberei oder Hobbies flüchten. Wenn man Glück hat, stößt man noch auf Formate, die sogenannte „Beispiele des Gelingens“ aufzeigen, aber auch da langweilt das 13. Portrait eines Sozialunternehmers etwas. Wir wollen nicht nur zeigen, wer was besser macht und dabei Spaß hat, sondern auch das große Ganze nicht aus dem Auge verlieren.
Ist das transform Magazin ein Anti-Karriere-Magazin?
Nein, das würde dem Format nicht gerecht werden. Unsere Erstausgabe hat das Überthema Arbeit, und damit haben wir uns Themen wie Robotisierung und das vermeintliche Ende von Arbeit, Lohnarbeit und Ehrenamt, aber auch Ausbeutung am Arbeitsplatz gewidmet. Unsere nächsten Ausgaben werden aber andere Überthemen haben und damit auch andere Geschichte erzählen, Fragen aufwerfen und Antworten geben.
Was ist das transform Magazin dann?
transform Magazin ist ein angewand-visionäres Blatt, eine Anleitung für sanftmütige Dissidenz – wie wir es nennen. Wir sind der polarisierten Medienwelt überdrüssig geworden. Auf der einen Seite wimmelt es von Artikeln, die Katastrophenstimmung und Alarmismus verbreiten. Auf der anderen Seite gibt es Formate, die ausschließlich den Zweck haben das Garten- oder Landleben zu romantisieren. Was beide Seiten gemein haben, ist dass sie Werbung beinhalten und damit ein „anzeigenfreundliches Umfeld“ aufbauen wollen oder müssen.
Das wollen wir anders machen. Auch fiel uns auf, dass sich zwar inzwischen die Wissenschaft zunehmend mit der sozial-ökologischen Transformation und deren Pionierprojekten beschäftigt, und auch auf höchster Politikebene das Gute Leben immer mehr ein Thema wird, man das aber in den Medien bisher kaum merkt.
Was ist denn das „Gute Leben“?
Ich persönlich schätze den Ansatz von Martha Nussbaum, die das „Gute Leben“ in der Möglichkeit zur Ausübung von Grundfähigkeiten, also die Möglichkeit das Leben zu Ende zu führen, alle Sinne nutzen zu können, sich an Gesundheit, guter Ernährung, angemessener Unterkunft und schöner Erlebnisse zu erfreuen und so weiter. Aber es gibt keine allgemeingültige Antwort auf das, was das „Gute Leben“ sei. Mit dem Magazin wollen wir uns den verschiedenen Ansätzen annähern. Klar wurde bereits, dass in unseren Breitengraden Zeit immer häufiger genannt wird, wenn es darum geht, was zum „Guten Leben“ fehlt. Aber da hört es natürlich nicht auf und klar ist auch: Das „Gute Leben“ ist politisch, da es ziemlich ungerecht verteilt ist – erst recht global, aber auch in Deutschland.
Wen wollt ihr mit eurem Magazin ansprechen?
Wie alle Medien wollen wir natürlich so viele Menschen wie möglich erreichen. Allerdings sprechen wir weder von Zielgruppen, noch von Strategien um Menschen von transform Magazin zu überzeugen. Wir setzen auf gute Qualität, Humor und Ästhetik: Das immerhin 120 -seitige Heft erscheint in Bookazine-Form (ist also sehr handlich), beinhaltet Artikel mit einem Augenzwinkern und ist definitiv etwas, was man gerne mehrfach liest. Gleichzeitig wollen wir niemanden ausschließen und werden daher das Heft unter einer Creative Commons Lizenz nach dem Open Source Gedanken kostenfrei auf unserer Homepage zum Download anbieten.
Aber warum sollte man dann euer Print-Magazin kaufen?
Um das Internet kommt niemand herum. Es gibt keine große Tageszeitung, die nicht ihre Artikel sehr bald online hat. Auch hochwertige und erfolgreiche Magazine stellen ihre Inhalte teilweise am Erscheinungsdatum online. Das stört den Printverkauf, aber vernichtet nicht unbedingt alle Formate. Wer schmökert nicht gerne das Lieblingsmagazin im Zug, Sessel oder liest etwas der Oma vor. Außerdem gibt es etwas zum ausmalen und eine Krankschreibung zum ausschneiden.
transform ist in erster Linie ein Printformat. Von vornherein wollten wir nicht einfach einen weiteren Blog gründen, sondern etwas Greifbares schaffen, dass man weitergeben und vorlesen kann. Außerdem sind wir einfach große Printfans und geben das Papier noch lange nicht auf!
Was braucht man, um ein Medien Startup zu gründen?
Egal welches Medienformat mit welchem Inhalt du gründest, du brauchst eine Vision. Wo willst du wann aus welchen Gründen hin? Was muss passieren, damit du in zwei Jahren sagen kannst: „Ich hätte meine Lebenszeit nicht besser investieren können“. Das klingt erst einmal ziemlich ambitioniert und schwer erreichbar, aber eigentlich sollte wir uns das häufiger fragen – nicht nur wenn wir gründen…
Auf Startnext sagt ihr, ihr möchtet „Probleme benennen – Probleme lösen“. Welche Probleme sind euch bisher bei der Gründung begegnet?
Bisher wurden wir selten Startup genannt, aber wenn wir uns mit den ganzen jungen, ambitionierten Unternehmen vergleichen, fielen bei uns eventuell einige Herausforderungen weg. Wir setzen weder auf Investoren, noch intransparente Sponsoren, Verlage oder Werbung. Wir lassen die Crowd entscheiden, ob sie transform Magazin wollen.
Wie bei allen Unternehmen, ob nun frisch gegründet oder seit Ewigkeiten dabei, kommt es aber in erster Linie auf die Menschen an. Daher haben wir uns gerade am Anfang viel Zeit gelassen um uns kennenzulernen und Ideen zu entwickeln. Daraus ist nicht nur ein flexibles und starkes Team gewachsen, sondern auch viele Freundschaften. Wenn ich an die größten Herausforderungen denke, kommt mir auf jeden Fall recht schnell mein überquellendes Postfach in den Sinn.
Jetzt wo ihr wisst, was eine Gründung mit sich bringt: Würdet ihr es wieder tun?
Wir würden es nicht nur wieder tun, wir machen es auch garantiert weiterhin!