Wie wir bereits in der Vergangenheit berichtet haben, gilt Estland als europäische Startup- Hochburg. Seit Mai 2015 ist es sogar möglich, sich für die estnische e-Residenz zu bewerben. In den ersten zwei Jahren haben sich bereits 20.000 Menschen entschieden, digitaler Bürger zu werden. Welche Vorteile das hat, erfahrt ihr in diesem Artikel.
Was ist bitte eine e-Residenz?
Ganz einfach, eine digitale Staatsbürgerschaft in Estland, für die sich genauso alle Nicht-Esten bewerben können. Auch Angela Merkel befand sich mit der Nummer 11.867 unter den Antragstellern und ist seit August 2016 offizielle e-Bürgerin des baltischen Staates. Um den Online-Antrag zu stellen, benötigt man weder einen estnischen Wohnsitz noch eine Anwesenheitspflicht. Es handelt sich jedoch um eine rein virtuelle Staatsbürgerschaft, mit der man kein Wahlrecht und auch kein Recht auf Sozialleistungen erwirbt. Die Voraussetzungen für die Smart-ID Card sind simpel: Der Bewerber muss über 18 Jahre alt sein und darf keine Vorbestrafungen aufweisen. Die Karte kann (für deutsche Bewerber) in der estnischen Botschaft in Berlin abgeholt werden. Kostenpunkt: 100 Euro (Stand: Dezember 2017).
Firmengründung
Mit der estnischen e-Residenz kannst du eine Firma gründen und diese beispielsweise als digitaler Nomade von unterwegs verwalten. Warum das interessant ist? Weil bei einer estnischen GmbH (estnisch: OÜ) nur 2.500 anstatt 25.000 Euro als Stammkapital hinterlegt werden müssen. Eigentlich ist nicht einmal das notwendig, denn die Gründung dieser so genannten Private Limited Company ist auch ohne jegliche Stammkapitaleinlage möglich, allerdings greift die beschränkte Haftung dann nicht. Die OÜ genießt durch den europäischen Standort eine bessere Reputation als viele andere Offshore-Unternehmen. Zusätzlich entfallen teure Notarkosten.
Den Weltrekord für die schnellste Unternehmensgründung hält, ihr werdet es schon vermuten, Estland! Die Bestzeit der Firmenregistrierung lag bei 18 Minuten! Derzeit kostet die Registrierung 145 Euro und kann komplett online durchgeführt werden. Summa summarum können Bürger aus der ganzen Welt die Vorzüge des estnischen Unternehmensrechts genießen. Eine pakistanische Programmiererin, die ihre Dienste in Europa anbieten will? Die estnische e-Residenz macht es tatsächlich möglich. Nur am Rande: Die derzeitige Ablehnungsquote liegt bei einem Prozent. Na wenn das nichts ist!
Steuern
Achtung: Estland gehört keineswegs zu den Steueroasen. Die e-Residenz zieht keine steuerliche Niederlassung in Estland nach sich. Mit Deutschland besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen. Das bedeutet, dass der Inhaber mit seinem Einkommen in Deutschland steuerpflichtig bleibt. In Estland fallen keine Steuern auf Gewinne an, solange diese das Land nicht verlassen oder reinvestiert werden. Die Steuererklärung und Buchführung erfolgen online. Für die Steuererklärung braucht man meist nur wenige Minuten. Eine eventuelle Rückerstattung erfolgt ebenso zügig.
Hin zum e-Land
Das kleine Estland mit gerade einmal 1,3 Millionen Einwohnern ist also weit entfernt davon, Grenzen zu schließen oder dem Nationalismus zu frönen. Bis 2025 will Estland auf 10 Millionen Einwohner anwachsen, wenn auch digital. Digitalisierung in diesem Sinne schafft Möglichkeiten, einen Schritt zur Chancengleichheit, zumindest im Online-Business. Zum Glück gehört der Internetzugang in Estland zu den verfassungsrechtlich festgelegten Grundrechten.