Die Gründung eines Biotechunternehmens ist eine besondere Herausforderung. Die Entwicklung von medizinischen Wirkstoffen durch chemische oder biotechnologische Verfahren sowie die Entwicklung von Therapieansätzen, wie beispielsweise die Gen- oder Immuntherapie, sind zeitintensive Prozesse, die mit hohen Risiken und hohen Kosten verbunden sind. Dies trifft gleichermaßen auf Startups in der Diagnostik oder mit serviceorientierten Geschäftsmodellen im präklinischen Bereich zu.
Biotechgründungen sind kaum vergleichbar mit Startups in der IT-Branche. Oft basieren die Ideen auf einer über Jahre dauernden Forschung im akademischen Umfeld, bevor sie überhaupt kommerziell verwertbar sind. Das bedeutet hingegen mehr technologische Substanz und damit besondere Alleinstellungsmerkmale für das Geschäftsmodell. Daraus resultieren ebenso eine hohe Wettbewerbsfähigkeit und eine nachhaltige Geschäftsentwicklung. Das ist gut daran zu erkennen, dass kaum eine Branche krisenresistenter als die Gesundheitsbranche ist.
Die deutsche Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg ist international einer der führenden Standorte in der Gesundheitswirtschaft, Gesundheitsversorgung und den Life Sciences. Weltmarktführer, renommierte Forschende, erstklassige Kliniken, innovative Startups und spezialisierte Fachkräfte aus der ganzen Welt arbeiten hier kontinuierlich und gemeinsam an Spitzenleistungen für den regionalen und globalen Gesundheitsmarkt. Das ist eine ausgezeichnete Basis und bietet ein inspirierendes Umfeld für innovative Startups.
Aber nicht aus jeder guten Forschungsidee wird auch eine gute Geschäftsidee. Dazu bedarf es mehrerer Erfolgsfaktoren und Rahmenbedingungen, dass aus einer guten Idee auch ein kommerzieller Erfolg wird.
Das Konzept ist erst der Anfang
Bevor man die ersten Schritte zur Gründung wagt, muss zuerst das technologische Konzept stehen. Die Idee muss gründlich validiert werden, es sollten so viele Daten wie möglich gesammelt und der Nachweis der grundsätzlichen technischen Machbarkeit erbracht werden. Fehlt der funktionelle Nachweis, wird es bereits in der Seed-Phase extrem schwer eine Startfinanzierung zu erhalten.
Ein überzeugendes technisches Konzept ist insofern die entscheidende Voraussetzung. Genauso wichtig ist es, den Markt zu kennen, der üblicherweise global zu betrachten ist. Wie sieht der aktuelle Stand der Technik aus? Ist die eigene Idee anderen Lösungen überlegen, wer ist die unmittelbare Konkurrenz und wie groß ist das Marktpotenzial? Und bereits hier sollte man sich darüber Gedanken machen, was die potenziellen Markteintrittshürden sein können, aus denen sich die Handlungsoptionen für die eigene Strategie ergeben. Dazu gehört auch die Absicherung des geistigen Eigentums, um Handlungsfreiheit zu haben. Auskunft dazu geben die Transferstellen der Universitäten und Forschungseinrichtungen. Das Konzept muss letztlich neben der technischen Machbarkeit auch wirtschaftlich tragfähig und überzeugend sein.
Es braucht Teamplayer
Sind die Voraussetzungen für das technologische Konzept und die Marktbedingungen erstmal erfüllt, folgt die nächste und vielleicht sogar die entscheidende Herausforderung: die Teambildung. Der Weg vom Projekt bis hin zur Gründung bedeutet der Beginn eines komplexen Prozesses, der neben der eigentlichen wissenschaftlichen Arbeit viele Ressourcen bindet. Das kann schnell zu einer Überforderung und so zum schnellen Ende der ursprünglichen Ambitionen führen. Biotechgründungen sind meist von einem Wissenschaftler initiiert und auch geprägt. Umso wichtiger ist es, Business-Kompetenzen in das Team zu holen. Deshalb ist es besser, sich rechtzeitig Unterstützung zu suchen, ein Team mit klarer Aufgabenteilung zu bilden oder einen kompetenten Partner zu finden, der sich voll und ganz der Aufgabe widmen kann. Dazu gehört dann auch die Bereitschaft, bereits in einer sehr frühen Phase seine Idee als auch Anteile an der Firma zu teilen. Ein breit aufgestelltes Gründer- und Managementteam ist essenziell für den Erfolg.
Zur Teambildung gehört auch das Anwerben von qualifiziertem und motiviertem Personal. Hier bietet die Region Berlin Brandenburg optimale Bedingungen. Mit rund 150 Studiengängen im Bereich Gesundheit und Lebenswissenschaften und insgesamt rund 40 wissenschaftlichen Einrichtungen mit Life Science-Bezug in der Region Berlin-Brandenburg ist das Potenzial zur Rekrutierung von Fachpersonal herausragend.
Die Abrundung eines personell gut aufgestellten Teams sind fachkundige und meinungsstarke Mitarbeiter:innen. Das sollten idealerweise Wissenschaftler:innen aber auch Brancheninsider sein, die einen guten Ruf in dem betroffenen Geschäftsfeld haben. Diese sorgen für die nötige Akzeptanz und Reputation des Startups und können mit ihren Beziehungen Türöffner zu wertvollen Kontakten wie beispielsweise erste Kundschaft sein. Auch Investierende lassen sich beeindrucken, wenn ausgezeichnete Expert:innen, z.B. in Form eines Beirats, an das Unternehmen gebunden werden.
Anlaufstellen für Gründungswillige
Die bislang genannten Erfolgsfaktoren stehen im unmittelbaren Einflussbereich der gründenden Person bzw. des Gründungsteams. Nicht zu vernachlässigen sind gleichfalls externe Faktoren, die den Erfolg einer Gründung begünstigen. Dazu gehören die Rahmenbedingungen, die am Standort vorherrschen und Startups ein gründungsfreundliches und innovatives Umfeld bieten.
Auf dem Weg zur Gründung solltet ihr so früh wie möglich die umfangreichen Services und Programme der Unis und Forschungseinrichtungen nutzen. Aktuell bündeln die Berliner Unis ihre Kräfte und bauen ihre Services für Gründer:innen mit neuen Formaten, wie z.B. das Startup-Stipendium, noch weiter aus und unterstützen bei allen Fragen zur Gründung. Darüber hinaus, bzw. für Startups, die nicht unmittelbar aus einem akademischen Umfeld stammen, kann in der Hauptstadt auf ein breitgefächertes Serviceangebot zurückgegriffen werden. Anlaufstellen sind u.a. die Förderbank des Landes Berlin, die IBB, die IHK oder auch wir, Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie, bieten Gründer:innen umfangreiche Unterstützung an. Dazu gehört z.B. die Identifizierung der geeigneten Fördermittel, die Suche nach einem Standort, Unterstützung bei der Rekrutierung von Personal und bei der Vernetzung mit passenden Partnern. Und nicht zuletzt erhält das Gründungsteam ein konstruktives Feedback zu seiner Geschäftsidee. Zum Beispiel bietet Berlin Partner mit dem jährlich stattfindenden Seedcamp einen 2-tägigen Workshop an, bei dem potenzielle Gründer:innen wertvolle Informationen von Expert:innen und ehemaligen Gründer:innen erhalten können.
„Dank erstklassiger Wissenschaft und erfolgreichen Startups hat die Hauptstadtregion – HealthCapital Berlin-Brandenburg – sich in den letzten Jahren zum führenden europäischen Biotech Standort entwickelt. Damit das so bleibt, hat die Unterstützung von innovativen Gründungen für uns bei Berlin Partner höchste Priorität“
Dr. Kai Bindseil © Berlin Partner – fotostudio charlottenburg
Die Nutzung des Angebotes an Inkubatoren und Acceleratoren ist gleichfalls zu empfehlen. Diese Anlaufstellen helfen bei der Optimierung des Geschäftsmodells, dem Ausbau des Netzwerks bis hin zur Vermittlung zu den ersten Investierenden. Neben den Workspaces der Universitäten und Hochschulen für Gründende gibt es mehr als 100 Inkubatoren/Acceleratoren in der Hauptstadt. Davon sind einige auf die LifeSciences spezialisiert und unterstützen die Gründungsteams bereits in der ersten Phase. Solche Programme bieten zum Beispiel Vision Health Pioneers, das Programm SPARK am BIH oder auch das Acceleratorprogramm G4A des Bayer-Konzerns an.
Raum für Entfaltung
Eine gut ausgebaute Infrastruktur an Laborflächen, die Startups zur Verfügung stehen und der dynamischen Entwicklung gerecht wird, ist gleichfalls enorm wichtig. Die Region Berlin-Brandenburg ist hier ebenfalls besonders gut aufgestellt. Es gibt acht Gründer- und Technologieparks mit mehr als 240.000 qm, die spezifische Flächen für Biotechunternehmen anbieten. Besonders für Startups, die Laborflächen benötigen, ist dieses Angebot überaus wichtig, da dies hohe Investitionen in die Laborausstattung erspart. Und es wird weiter in den Ausbau der Infrastruktur investiert. Am Campus Berlin-Buch entsteht ein neues Laborgebäude mit etwa 15.000 qm und in den nächsten Jahren in unmittelbarer Nähe zur FU Berlin das FUBIC, ein neues Technologie- und Gründungszentrum mit rund 50.000 qm für LifeScience-Unternehmen. Mit den anderen Standorten zusammen sind so für die anstehenden Gründungen in der Zukunft beste Voraussetzungen geschaffen.
„Der BerlinBioCube wird Start-ups eine international geprägte, lebendige Live-Science-Community bieten. Wie in Forschungsgebäuden, entstehen dort neben modernsten Laboren großzügige Flächen für den kreativen Austausch der jungen Firmen. Ganz entscheidend ist auch die Nähe zu den etablierten Biotech- und Medtech-Firmen und renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen sowie Cutting-edge-Technologieplattformen“
Dr. Christina Quensel © Campus Berlin-Buch GmbH/Peter Himsel.
Maßgeschneiderte Programme bei der Finanzierung
Zur Gründung des ersten Projekts ist der Zugang zu Kapital bzw. der Finanzierung essenziell. In der sehr frühen Phase stehen euch aber wirkungsvolle Programme zur Verfügung. Am stärksten wirkt hier die EXIST-Förderung, die akademischen Spinoffs zur Verfügung steht. Zum Nachweis der technischen Machbarkeit gibt es auch mehrere Möglichkeiten: beispielsweise das Validierungsprogramm VIP+ des Bundes. Oder die Optionen zur Finanzierung für die sogenannte Preseed-Phase, sodass potenzielle Gründer:innen hier kaum ein Problem haben, die ersten Schritte zu finanzieren. Auf lokaler Ebene stehen dabei LifeScience-Startups ganz klar im Fokus der öffentlichen Geldgeber. Sei es die IBB mit ihren vielfältigen Fördermöglichkeiten oder auch die IBB Venture, einer der größten Frühphasenfinanzierer in Deutschland. Bei beiden existiert ein klares Commitment für LifeScience-Startups. Das ist auch nicht ohne Bedeutung für zukünftig Investierende. Diese bewerten u.a. die Verfügbarkeit von Fördermitteln in der Entwicklungsphase als auch die Co-Finanzierung vor Ort.
Das Umfeld ist entscheidend
Hat der Standort einen positiven Effekt auf die Entwicklung des Startups? Investierende prüfen gerne, ob sich die Startups in einer innovativen und gründungsfreundlichen Umgebung befinden. Gibt es ausreichend Vernetzungsmöglichkeiten mit der Wissenschaft, mit anderen Unternehmen für Kooperationen oder auch mit potenzieller Kundschaft vor Ort und nicht zuletzt auch ausreichend Rekrutierungsmöglichkeiten für qualifiziertes Personal. Nicht zu vernachlässigen ist zudem die Frage, ob der Standort auch für internationale Arbeitskräfte attraktiv ist – allesamt Aspekte, die für Investoren wichtig sind und die für die Hauptstadtregion mit 40 Wissenschaftseinrichtungen, über 280 Biotechunternehmen, mehr als 30 Pharmaunternehmen und dem internationalen Flair zutreffen.
Als herausragendes Beispiel im Kontext der genannten Aspekte steht T-Knife, eine Ausgründung aus dem Max-Delbrück-Centrum und mit Sitz auf dem Campus Buch und San Francisco. T-Knife will mit genetisch veränderten Immunzellen, den T-Zellen, neue Therapien gegen Krebs entwickeln. Innerhalb eines Jahres ist es T-Knife gelungen, mit internationalen Investitionsmitteln mehr als 170 Mio. Euro einzuwerben.
„Unsere Technologie war bereits vor der Gründung sehr weit entwickelt und wir verfügten über eine breite wissenschaftliche Datenlage, die unsere Hypothese unterstützte. Zusammen mit unserem kompetenten Team war dies eines der überzeugenden Argumente für unsere Investoren.“
Dr. Elisa Kieback © T-knife
Ein gründungsfreundliches Klima für die Biotechnologie beruht auf einem klaren Bekenntnis zu den Lebenswissenschaften als Schlüsseltechnologie und Wachstumsmotor für die Zukunft. Mit der Unterstützung bei der Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, bei der Entwicklung von Projekten sowie für Gründungen und Ansiedlungsvorhaben, ist ein breites Serviceangebot verfügbar. So wird mit der seit Jahren verfolgten Clusterstrategie, der Bildung des Clusters Gesundheitswirtschaft und der internationalen Vermarktung des Standortes Berlin-Brandenburg ein Zeichen gesetzt.
Insgesamt zeigt sich, dass eine Biotech-Gründung eine anspruchsvolle Herausforderung darstellt. Sind die technischen und marktlichen Voraussetzungen aber erstmal erfüllt, treffen Biotech-Gründer auf beste Rahmenbedingungen und Services in der Hauptstadtregion. Man muss sie nur nutzen!
Zum Autor:
Volker Erb, diplomierter Wirtschaftsingenieur (FH), ist seit über 20 Jahren bei Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH im Bereich Gesundheitswirtschaft beschäftigt. Seine Schwerpunkte liegen vor allem in der Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft sowie der Begleitung von FuE-Projekten und Gründungen. Darüber hinaus ist Volker Erb Initiator und Moderator verschiedener Formate wie z.B. das „SeedCamp“ sowie Koordinator erfolgreicher Netzwerke wie z.B. dem „NetPhaSol“. Daneben ist er Coach und Juror bei verschiedenen Business-Plan-Wettbewerben.