Frankreich – vive les jeunes pousses!

Denkt man an Frankreich in Zusammenhang mit „Wirtschaft“, kommt in diesen Tagen schnell der Begriff „Krise“ hinzu – zu viel Staat und zu wenig Inovationskraft, sagen Kritiker, während Staatspräsident François Hollande die Grande Nation als ein Paradies für Startups sieht. Die Gründerfreunde haben sich bei unserem westlichen Nachbarn umgeschaut.

Ende Oktober 2014 legte Hollande den Grundstein für den größten Startup-Inkubator der Welt; so wurde das Bauprojekt jedenfalls angekündigt. 1.ooo Startups, in Frankreich auch jeunes pousses genannt, soll der Gebäudekomplex, der in dem ehemaligen Bahnhof La Halle Freyssinet entsteht, zukünftig auf 33.000 Quadratmetern beheimaten. Mit der Eröffnung wird 2017 gerechnet. Treibende Kraft bei dem Versuch, Paris zu einer Weltmetropole der Digitalwirtschaft aufsteigen zu lassen, ist Xavier Niel, der schon Iliad zu einem der führenden Internetdienstanbieter und Mobilfunkbetreiber in Frankreich gemacht hat.

Wie La Halle Freyssinet einmal aussehen soll, zeigt das (nicht sehr aufregende) Video oben, hochgeladen auf YouTube. Wo sonst, könnte man sagen. Dabei startete im März 2005, nur einen Monat nach den amerikanischen Marktbeherrschern, mit Dailymotion ein französisches Unternehmen, das als Videoportal ebenfalls weltweit erfolgreich ist und gerade Dailymotion Games in die Betaphase gebracht hat, um damit der amerikanischen Gamer-Plattform Twitch Konkurrenz zu machen. Das Problem der Franzosen allerdings ist und wird bleiben, dass sie es in ihrem Marktsegement mit einem Player zu tun haben, der fast schon eine Monopolstellung einnimmt.

Mit einem ähnlichen Problem hat Qwant zu kämpfen. Gegründet 2011, auf den Markt gebracht 2013, haben sich die Qwant-Erfinder Jean-Manuel Rozan und Éric Leandri kein geringeres Ziel gesetzt, als dem Suchmaschinen-Giganten Google Paroli zu bieten. Gelingen soll das unter anderem mit dem Versprechen, für größere Datensicherheit zu sorgen. Tester zeigten sich zufrieden mit den Suchergebnissen, und da im politischen Europa viele der Meinung sind, die Übermacht Googles müsse zerschlagen oder zumindest begrenzt werden, sind die in Qwant gesetzten Hoffungen groß, auch beim Axel Springer-Verlag, der seit gut einem halben Jahr 20 % an dem Unternehmen hält. Ob wir allerdings jemals alle „qwanten“ werden…

In solchen Dimensionen denkt bei Criteo sicherlich niemand, doch Selbstbewusstsein wird dort trotzdem groß geschrieben: Man bezeichnet sich als weltweit führendes Unternehmen für digitales Performance Advertising, zehn Jahre nach der Gründung durch Jean-Baptiste Rudelle, Franck le Ouay und Romain Niccoli. Mehr als 1.100 Mitarbeiter in 21 Büros in Nord-, Mittel- und Südamerika, Europa und Asien-Pazifik, mehr als 6.000 Werbekunden in über 50 Ländern und direkte Beziehungen zu über 8.000 Publishern: Erfolgszahlen, die Criteo stolz auf seiner Webseite präsentiert.

Dynamic Grid

Als Pearltrees 2012 online ging, konnte man damit Informationen in Form von Bildern, Texten oder Videos sammeln und zu baumähnlichen virtuellen Gebilden verbinden; daher der Name. Inzwischen sieht die Kuratoren-Plattform aus Paris weniger originell, dafür etwas aufgeräumter aus (Bild oben). Über zwei Millionen Anwender archivieren inzwischen alles über ihre Hobbies und Interessengebiete mit Pearltrees.

Mehr als 30 Millionen Nutzer dürfte inzwischen Deezer erreichen, auch wenn exakte Zahlen nicht vorliegen. Mit der Übernahme des Mitbewerbers Muve Anfang diesen Jahres setzt sich der Musik-Streamingdienst an die zweite Stelle auf dem amerikanischen Markt – mit weitem Abstand zu Marktführer Spotify. Somit ist Deezer ein weiteres Beispiel für ein Unternehmen aus Frankreich, das sich mit einem internationalen Platzhirsch anzulegen versucht, wobei die Erfolgschancen hier nicht ganz so gering sind wie bei anderen.

Heute, also am 26. Januar, kommt mit der Activé Pop eine Uhr auf den Markt, der man nicht gleich ansieht, dass es sich um eine Smartwatch handelt (Bild oben). Tatsächlich kann das Gerät viel mehr, als nur die Zeit anzeigen, nämlich sportliche Aktivitäten genauso tracken wie den Schlaf und somit jederzeit Auskunft geben über den Fitnesszustand seines Besitzers. Erfunden hat die Uhr Withings, ein Startup aus Frankreich, das allerlei gesundheitsfördernde Produkte im Angebot hat, die mit der digitalen Welt korrespondieren, Waagen etwa, Schlafhilfen und Blutdruckmessgeräte.

Abschließen möchten wir unsere kleine Reise durch Frankreich mit zwei Startups, die sich dem liebsten Kind der Deutschen verschrieben haben: dem Auto. Über Drivy haben wir letzten Freitag berichtet und dabei auch BlaBlaCar erwähnt, die Internet-Mitfahrzentrale. 2006 in Paris ins Leben gerufen, hat sie inzwischen zehn Millionen Mitglieder in 14 Ländern (gerade dazu gekommen: Indien). Seit 2013 kann man sich mit Menschen, die einen ähnlichen Laberfaktor haben wie man selbst (darauf bezieht sich tatsächlich das „BlaBla“), auch in Deutschland das Auto teilen und vielleicht nach Frankreich fahren, um zu sehen, welche jeunes pousses dort sonst noch so sprießen.

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